Seniorenkino: Learning to drive

  Dienstag, 02. Mai 2017 - 15:30 bis - 17:30

Ort: Alte Exerzierhalle am Neuen Rathaus
Einlass: ab 14.30 Uhr
Eintritt: 4,00 €
Kaffee und Kuchen für 2,50.

USA 2014
Länge:     90 Minuten
FSK:     ab 0; f
Erstaufführung:     28.5.2105 Schweiz
6.8.2015

Regie:     Isabel Coixet
Buch:     Sarah Kernochan
Kamera:     Manuel Ruiz
Musik:     Dhani Harrison, Paul Hicks
Schnitt:     Keith Reamer, Thelma Schoonmaker
Darsteller:     Patricia Clarkson (Wendy), Ben Kingsley (Darwan), Grace Gummer (Tasha), Jake Weber (Ted), Sarita Choudhury (Jasleen), John Hodgman (Autoverkäufer), Samantha Bee (Debbie), Daniela Lavender (Mata), Matt Salinger (Peter), Michael Mantell (Wendys Vater)

 

Filmhomepage, Wikipedia, EPD-Filmmagazin, Programmkino.de 

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
'Eine New Yorker Autorin wird nach 20 Jahren Ehe von ihrem Mann verlassen und stürzt in eine seelische Krise. Um sich zu fangen, nimmt die aufbrausende Frau Fahrunterricht bei einem sanftmütigen indischen Einwanderer, wobei sich beide aneinander reiben, auf Dauer aber dezent Gefallen aneinander finden. Eine unaufgeregte Emanzipationsgeschichte als entspanntes, wohltuend flüchtig entwickeltes Unterhaltungsdrama, das durch seine zurückhaltende, fast kontemplative Inszenierung überzeugt.
Ab 14.   
Irene Genhart, FILMDIENST 2015/16


Trailer (145 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
Das gäbe sich wieder, versichert Wendy ihrer Tochter Tasha, die auf die Nachricht von der Trennung ihrer Eltern aus Vermont nach New York gerast ist. Ted habe im Laufe ihrer 21-jährigen Ehe verschiedentlich der Hafer gestochen, doch er sei noch jedes Mal wieder zu ihr zurückgekehrt. Diesmal aber täuscht Wendy sich; Ted hat nicht nur eine Affäre, sondern eine neue Lebenspartnerin gefunden. Und dies schon vor Monaten. Nur hat Wendy das nicht gemerkt. Irgendwann ist man geneigt anzunehmen, dass Wendys Unaufmerksamkeit dem Leben und Partner gegenüber der Grund ist, weshalb Ted diesmal tatsächlich einen Schlussstrich zieht. Doch nach Gründen forstet die Regisseurin Isabel Coixet in „Fahrstunden fürs Leben“ nicht. Auch reißt sie keinen possierlichen Rosenkrieg vom Zaun und setzt dem Zuschauer auch kein bitteres Trennungsdrama vor. Vielmehr schildert sie – und zwar über weite Strecken aus Sicht der von Patricia Clarkson alles andere als sonderlich charmant und gerade deswegen überzeugend gespielten Wendy – die Stationen der Baisse, die man nach einer Trennung wohl unweigerlich durchlebt. Und sie erzählt vom Neuanfang. Vom langsamen sich wieder neu zurechtfinden in der Welt, unter anderen Bedingungen, und von jenem Mann, der Wendy dabei behilflich ist: der Fahrlehrer Darwan, wie immer dezent-charismatisch gespielt von Ben Kingsley.
Tatsächlich könnten Coixets Protagonisten kaum unterschiedlicher sein: die erfolgreiche Literaturkritikerin Wendy und der strenggläubige Sikh Darwan. Wendy war bisher vom Leben verwöhnt, hat ihre Arbeit über alles gestellt und sich auch dann am liebsten hinter dem Computer verkrochen, wenn alle Zeichen auf Sturm standen. Der Inder Darwan hingegen lebt seit dem Mord an seinem Bruder schon Jahrzehnte im politischen Exil in New York. Ein Manuskript, das Wendy an dem Abend, an dem ihr Ted in einem Lokal seine Scheidungsabsichten eröffnet, im Taxi liegen lässt und das Darwan ihr einige Tage später nach Hause bringt, führt die beiden zusammen. Sie will ihm ein Trinkgeld in die Hand drücken, er schlägt dies höflich-korrekt aus; in der Hektik verlangt Wendy seine Karte. Wie es der (Drehbuch-)Zufall will, ist Darwan aber nicht nur Taxifahrer, sondern auch Fahrlehrer. Und weil Wendy, die sich bislang von ihrem Gatten durchs Leben chauffieren ließ, dem Rat ihrer Tochter folgt, endlich selbst das Autofahren zu lernen, um nach Vermont zu kommen, meldet sie sich bei Darwan für Fahrstunden an.
Darwan bringt Wendy dabei mehr als Verkehrsregeln oder Fahrtechnik bei. Er erzählt ihr von der Achtsamkeit, die der Verkehr auf der Straße erfordert, und dass man sich am Steuer ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren muss, auf das, was man tut, den Moment des Fahrens, die Straße und die anderen Verkehrsteilnehmer. Wendy ihrerseits eröffnet Darwan ein wenig den Zugang zu Amerika und der Welt der Frauen. Was anrüchiger klingt, als es in „Fahrstunden fürs Leben“ tatsächlich ausfällt. Denn Coixet stellt nach einem Essay der amerikanischen Kulturkritikerin Katha Pollitt („Learning to Drive: And Other Life Stories“, Random House, 2007) in ihrem elften Spielfilm eine unaufgeregte kleine Emanzipationsgeschichte vor. Der Moment, in dem sich Wendy und Darwan näher kommen könnten, als dies zwischen Fahrlehrer und Fahrschülerin gemeinhin üblich ist, bleibt natürlich nicht aus, ist aber wunderbar flüchtig; selbst ein Wiedersehen bleibt dem Zufall überlassen, nachdem Wendy nach zahllosen Stunden ihre Prüfung im zweiten Anlauf endlich bestanden hat. Das ist wohltuend und ohne Kitsch inszeniert; das an der Realität Maß nehmende Gegenteil eines Happy-End-versetzten „Chick Flicks“. Ein guter, wenngleich nicht Coixets bester Film. Das ist und bleibt „Elegy“ (fd 38 845, 2008).

Irene Genhart, FILMDIENST 2015/16