Von der türkischen Küste aus ließen sich die beiden am 12. August 2015 von Schleppern in ein Schlauchboot Richtung Lesbos setzen. Als unterwegs der Motor des völlig überladenen Bootes ausfiel, sprangen Sara und Yusra ins Wasser und zogen das Gefährt schwimmend über drei Stunden lang bis zur Küste der griechischen Insel. Über die Balkanroute gelangten die Schwestern dann nach Berlin. Nach ihrer Ankunft wurden sie bald als Heldinnen gefeiert, in Talkshows eingeladen und mit Auszeichnungen wie den „Bambis“ überschüttet.

Fadenscheinige Anschuldigungen

Doch während Yusra in Berlin ihr Training wieder aufnahm und es 2016 im Team der Flüchtlingsathleten zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro schaffte, musste Sara wegen einer Verletzung ihre Karriere beenden. Da sie die Erinnerungen an ihre dramatische Flucht nicht losließen, kehrte sie nach Lesbos zurück, wo sie sich einer NGO anschloss und unter anderem auch im berüchtigten Lager Moria arbeitete. Im Sommer 2018 wurde Sara Mardini mit anderen Helfern unter fadenscheinigen Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert. Nach mehr als drei Monaten konnte sie gegen Zahlung einer Kaution das Gefängnis verlassen und durfte ausreisen.

Die Geschichte der Schwestern bildete 2022 schon die Grundlage für den Spielfilm „Die Schwimmerinnen“, der mit der gelungenen Flucht endet. Der Dokumentarfilm von Charly Wai Feldman setzt mit Saras Rückkehr aus der Haft nach Deutschland ein. Vier Jahre lang hat die britische Dokumentaristin ihre Protagonistin begleitet. Sie folgt Sara in ihrem Alltag in Berlin, wo sie ein Studium begann, das sie aber bald wieder abbrach. Die Kamera ist auch dabei, wenn sie ziellos durch die Straßen läuft, sich in einer Diskothek den Frust von der Seele tanzt oder auf Veranstaltungen die Flüchtlingspolitik der EU kritisiert.

Die meiste Zeit sieht man der Heldin wider Willen jedoch beim zermürbenden Warten in ihrer Wohnung zu. Beim Warten auf jenen Prozess in Griechenland, für den es jahrelang keinen Termin gibt. Die Anklagen gegen Sara und ihre Mitstreiter, unter anderem wegen Menschenschmuggels, haben weiterhin Bestand. Ihnen drohen im schlimmsten Fall bis zu zwanzig Jahren Haft. Regelmäßig lässt sie sich von ihrem Anwalt in Griechenland per Video-Streaming über den Stand der Dinge informieren.

Zwischen Verzweiflung und Kampfeswillen

Als nach mehr als vier Jahren endlich ein Termin für den 10. Januar 2023 angesetzt wird, darf Sara Mardini nicht am Prozess teilnehmen, da ihr die griechischen Behörden wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ ein Einreiseverbot bis 2025 auferlegt haben.

Sara Mardini lässt die Filmemacherin sehr nahe an sich heran, gibt Einblicke in ihre Zerrissenheit zwischen Verzweiflung und Kampfeswillen. „Was ist los mit der Welt?“, fragt sie sich einmal. „Ich mache da nicht mit! Menschen vor dem Ertrinken zu retten, kann kein Verbrechen sein.“ Neben aktuellen Bildern streut der Film immer wieder Archiv-Sequenzen mit Flüchtlingen oder von dem verheerenden Brand im Lager Moria ein. Mal ist Sara bei einem Fotoshooting für Amnesty International zu sehen, mal begleitet sie der Film auf einer Vortragsreise in Jordanien oder beim Einsatz auf einem Rettungsboot vor der italienischen Küste.

Alle diese Elemente inklusiv der Social-Media-Aktivitäten der Protagonistin sind rasant montiert; durch die Einblendung von Zeitangaben wird das Warten auf den Prozess in Countdown-Manier dramatisiert. Zwischendurch gibt es (teils in Zeitlupe) meditative Sequenzen, in denen man Sara in einem Schwimmbad durch tiefblaues Wasser gleiten sieht. „Sara Mardini“ verbindet ein sehr persönliches Porträt mit einem flammenden Appell gegen die Kriminalisierung von Lebensrettern.