Die Sieger (Director’s Cut) – Der in Celle geborene und aufgewachsene Kameramann Diethard Prengel ist heute Abend zu Gast (Wir laden zu Sekt und Knabbereien ein.)

  Freitag, 14. Februar 2020 - 19:30 bis - 21:55
Interview vom 15. Januar in der Celleschen Zeitung mit Diethard Prengel
Interview in der revista 98 mit Diethard Prengel

Eintritt: frei
Reservierung: 1 Euro

Deutschland 1994
Kinostart: 22. September 1994
146 Minuten
FSK: ab 16; f

Produktion: Michael Hild, Günter Rohrbach
Regie: Dominik Graf
   
Drehbuch: Günter Schütter
Kamera: Diethard Prengel, Prengel auf imdb, Prengel auf Filmportal.de,  Prengel auf Filmdienst.de, Prengel auf Crew United 

Diethard Prengel bei den Dreharbeiten zu "Die Sieger": 

 Diethard Prengel bei den Dreharbeiten zu DieSieger


Musik:  Dominik Graf, Helmut Spanner, Loy Wesselburg

Schnitt: Christel Suckow
FBW: Prädikat besonders wertvoll 
 
Darsteller: 
Herbert Knaup (Karl Simon) · Hansa Czypionka (Hannes Grigul) · Heinz Hoenig (Bernd Helmer) · Thomas Schücke (Holger Dessaul) · Katja Flint (Melba Dessaul) · Hannes Jaenicke (Heinz Schaefer) · Michael Breitsprecher (Mannheimer) · Meret Becker (Sunny Schaefer) · Valerie Veil (Claudia) · Natalia Wörner (Saide) · Bernd Stegemann (Georg Erlsberg) · Heinrich Schafmeister (Falk) · Werner Karle jr. (Kaul)

WIKIPEDIA, alle Daten zum Film auf Filmportal.de sowie auf Crew United und auf imdb.com

Zum Director’s Cut:
"Als der deutsche Film sich etwas Unerhörtes traute" – Kritik von Oliver Kaever im Spiegel
"Was sich das deutsche Kino mal getraut hat" – Interview von Peter Körte mit Regisseur Dominik Graf in der FAZ 
Interview von Frank Arnold mit Regisseur Dominik Graf für EPD-Film
Interview von Barbara Wurm mit Regisseur Dominik Graf für die taz
Interview von Simon Hauck mit Regisseur Dominik Graf für das Münchener Feuilleton
"Jetzt ist der Film komplett" – Bericht von Bavaria-Film
Kritik von Oliver Armknecht auf Filmrezensionen.de
Berlinale (2019) Katalogeintrag zum Director’s Cut
weitere deutschsprachige Kritiken auf imdb.com

1994:
Kritik von Hans Messias im Filmdienst (4 von 5 Sternen)


Trailer (177 Sekunden):

 

ausführliche Kritik aus 1994 vom Filmdienst  
Ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Düsseldorfer Polizei führt einen Schlag gegen das organisierte Verbrechen – Sektion Falschgeld. Der Zugriff gelingt und doch geht einiges schief. Einer der italienischen Gangster wird erschossen, ein dritter Mann, von dessen Anwesenheit das Kommando nichts wußte, eigentlich eine tödliche Schlamperei, kann entkommen. Später gibt die Einsatzleitung zu, daß die flüchtige Person ein verdeckter Ermittler ist, dessen Identität zu wahren sei. Karl Simon jedoch, der bei dem Einsatz niedergeschlagen wurde, glaubt in der fraglichen Person seinen ehemaligen Kollegen Heinz Schaefer erkannt zu haben. Nur: Schaefer ist seit vier Jahren tot. Nachdem er sein geistig behindertes Kind umbrachte, wählte er den Freitod im Rhein. Die Leiche geriet in eine Schiffsschraube und wurde verstümmelt aufgefunden.

Eine nahezu perfekte Biografie für einen Toten, wenn er denn wirklich als V-Mann wieder auferstehen sollte. Simon beharrt auf seiner Version und verlangt eine Untersuchung, doch irgendwo im Polizeiapparat hakt es, und so nimmt er auf eigene Faust Nachforschungen auf. Er sucht Schaefers Witwe auf, eine seelisch labile Person, die ganz in der Vergangenheit lebt. Fehlanzeige, Simon rennt ins leere. Seine einzige Hoffnung ist Staatssekretär Dessaul, der gleich nach dem Einsatz seine Unterstützung in der dubiosen Sache zugesagt hat. Doch plötzlich hält der Politiker sich merkwürdig bedeckt, und als Simon versucht, über dessen Frau Melba, bei der er auf sexuellem Gebiet durchaus gute Chancen hat, an die entscheidenden Informationen heranzukommen, beißt er zunächst auf Granit.

Der Hintergrund ist eben brisanter, als selbst Simon anzunehmen wagt. Gangster haben führende Politiker der Landesregierung geschmiert, damit sie eine Gesetzesvorlage in ihrem Sinne verabschiedeten. Dessaul kommt dem Komplott auf die Spur, will eine sanfte Demission herbeiführen und wird doch ganz Opfer der Ereignisse. Wenige Tage später wird er trotz des geballten Auftretens des SEK entführt. Die Truppe erzielt zwar einen Teilerfolg, versagt aber in entscheidenden Zugriff, ein Beamter verliert das Leben, ein weiterer wird mit Dessaul entführt. Simon und seine Leute stehen plötzlich vor einem Untersuchungsausschuß, und aus heiterem Himmel taucht Material gegen den Beamten auf, das eine Preisgabe von Geheiminformationen und damit eine Beteiligung an der Entführung nahelegt. Simon und seine Leute werden vom Dienst suspendiert und ermitteln fortan auf eigene Faust, denn die eigene Weste muß reingewaschen werden. Dazu gehört, den offensichtlichen Verräter in den eigenen Reihen zu stellen und Schaefer, der ganz offenkundig lebt, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das gelingt erst, als Melba ihre Hilfe zusagt. Doch zuvor muß noch die Schmutzarbeit im Karwendel-Gebirge erledigt werden, und die fordert mehr Opfer, als alle Beteiligten ahnen konnten. 

Der 42jährige Dominik Graf ist wohl derzeit der einzige in Deutschland arbeitende deutsche Regisseur, dem spannende Actionunterhaltung im Kinoformat zuzutrauen ist. Dies hat er spätestens mit "Die Katze" unter Beweis gestellt und in seinen Zuarbeiten zur Krimi-Fernsehserie "Der Fahnder" bestätigt. Doch Graf belegt auch, daß ein Regisseur immer nur so gut sein kann, wie sein Drehbuch es zuläßt. Und das läßt, bei aller Dichte in den Action-Szenen, den Regisseur das ein und andere Mal arg im Stich. Da werden Dialoge zu puren Sprechblasen, die ihre Hohlheit nicht kaschieren können. Während dem Drehbuchautor der Dialog in einer reinen Männerwelt fast immer gelingt - hier wirkt er authentischer, vielleicht, weil die Sachverhalte klarer sind -, stellen sich Schwierigkeiten ein, sobald Männer mit Frauen zu reden haben. Anscheinend sind es die gefühlsbelasteten Dinge des Lebens, die das Reden/Drehbuchschreiben so schwermachen. Das gilt für Simons Gespräche mit seiner Frau ebenso wie für seine Wort- und Liebesscharmützel mit Melba. Am auffälligsten wird dies jedoch in den Szenen mit der seelisch labilen Sunny Schaefer (Meret Becker), die sich wie eine Geisteskranke zu artikulieren hat und von der Regie leider wie eine solche geführt wird. Mit ihrer Person wird kein glaubhafter Charakter eingeführt, sondern ein Stolperstein, unter dem die eigentlich dicht inszenierte Geschichte leidet. 

Gäbe es da nicht die leichthändige Frauenkomödie "Tiger, Löwe, Panther", so würde "Die Sieger" die Vermutung nahelegen, Graf sei ein reiner Männerregisseur, denn seine Kerls sind in jeder Sekunde präzise und glaubhaft. Vielleicht hat die ernsthafte Vorbereitung (Trainingslager bei einer SEK-Einheit) auf diese eingeschworene Männergesellschaft das Ihre zum Gelingen des Kriminalfilms beigetragen. Sicher sind es jedoch die guten, meist zurückhaltend agierenden Darsteller, die das Interesse an dem Film wachhalten. Heinz Hoenig, wie immer überzeugend, hat seine üblichen zwei, drei (eigentlich überflüssigen) "Schrei-Sätze", die verbal seine physische Präsenz unterstreichen. Und bei dem fast unbekannten Herbert Knaup ("Wallers letzter Gang") stimmt jeder Blick, jede Geste, sein selbstgewisses Auftreten bei den Einsätzen ist ebenso glaubhaft wie seine Verletzlichkeit im familiären Kreis. Eine Person, die auf den ersten Blick in sich zu ruhen scheint, in der jedoch viel mehr schlummert, als der erste Eindruck ahnen läßt. 

Dominik Graf konzentriert auf die vielen Actionszenen; da ist seine Geschichte überaus stimmig. Er kontrastiert das biedere Leben seiner Hauptpersonen (hier greift die Geschichte in der Schilderung des häuslichen Ambientes allerdings eine Spur zu hoch) mit dem gesellschaftlichen Glanz, der durch ihre beruflichen Aufgaben auf sie fällt, taucht das Polizeirevier durch verschiedene Filter in ein nüchternes grün-blaues Licht und setzt in seinem nächtlichen Show-down einige Lichteffekte. "Die Sieger" ist gewiß kein rundum gelungener Film, aber einer der spannendsten und perfekt geschnittensten, der in diesem Jahr aus deutschen Landen zu erwarten ist. Vielleicht sogar einer der wenigen - und das wäre ihm zu wünschen -, die ihre Herstellungskosten wieder einspielen. Dazu könnte auch beitragen, daß ein deutscher Film - wenn auch genretypisch überhöht - endlich einmal deutsche (Polit-)Wirklichkeit thematisiert. Damit ist nicht unbedingt die die Ereignisse auslösende Schmiergeldaffäre gemeint, sondern das Kungeln quer durch alle Fraktionen, das beharrliche "Unter-den-Teppich-Kehren", das zähe Kleben auf dem erreichten Posten und die Arroganz, mit der das Wahlvolk für dumm verkauft wird. Neben seinem Spannungsgehalt und Unterhaltungswert kommt dem Film bei der Thematisierung dieser Themen ein weiteres Verdienst zu.

Eine Kritik von Hans Messias