The Favourite – Intrigen und Irrsinn

  Freitag, 08. März 2019 - 20:30 bis - 22:15


Video-Kritik von Andreas Kilb (FAZ) (206 Sekunden):



England befindet sich im Krieg mit Frankreich, doch bei Hofe erfreut man sich an einem luxuriösen Lebensstil, an extravaganten Kostümfesten, an Hummer- und Entenrennen in pompösen Marmorhallen. In acht Kapiteln zeigt der Film eine matriarchalische Gesellschaft im frühen 18. Jahrhundert: Olivia Colman spielt die über das englische Empire herrschende Anne, deren Regierungsgeschäfte fest in den Händen ihrer „Favoritin“, der von Rachel Weisz gespielten Lady Sarah liegen. Als Sarah ihrer verarmten Cousine Abigail (Emma Stone) am königlichen Hofe Arbeit gewährt, beginnt ein erbarmungsloses Ringen um die Gunst ihrer Majestät – mit hinterhältigen Verleumdungen, sexuellen Erpressungen und politischen Intrigen.

Eintritt: 5,00 €

Großbritannien/Irland 2018
Kinostart: 24. Januar 2019
120 Minuten
FSK: ab 12; f

Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Deborah Davis und Tony McNamara 
Kamera: Robbie Ryan
Musik: Komeil S. Hosseini
Schnitt: Yorgos Mavropsaridis
FBW: Prädikat besonders wertvoll

Darsteller:
Olivia Colman (Königin Anne) · Emma Stone (Abigail Masham) · Rachel Weisz (Lady Sarah Churchill) · Nicholas Hoult (Robert Harley) · Joe Alwyn (Samuel Masham) · Mark Gatiss (John Churchill) · James Smith (Godolphin) · Jenny Rainsford (Mae)

IMDB: 145 Filmpreise plus 269 Nominierungen
Wikipedia: Auszeichnungen

Filmhomepage, Wikipedia 

Kritiken:
Kritik von Patrick Seyboth im Filmmagazin EPD (4 von 5 Sternen)
Kritik von Doris Kuhn im Filmdienst (4 von 5 Sternen)
Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de und die gleiche Kritik auf Kunst & Film
Kritik von Jan Küveler in der Welt
Kritik von Katja Nicodemus in der Zeit
Kritik von Barbara Schweizerhof  in der taz

Kritik von Christiane Peitz im Tagesspiegel
Kritik von Andreas Kilb in der FAZ
Kritik von Fritz Göttler in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Jan Künemund im Spiegel
Kritik von Dunja Bialas auf artechock
Kritik von Rüdiger Suchsland auf artechock und auf SWR2
Kritik von Johannes Seidel auf artechock
Kritik von Friederike Horstmann auf critic.de
Kritik von Beatrice Behn auf Kino-Zeit.de
Kritik von Knut Elstermann auf mdr
Kritik von Mathias Hopf auf dasfilmfeuilleton.de

Kritik von Gunther Baumann auf filmclicks.at
Kritik von Moritz Holfelder auf BR24
Kritik von Martin Schwickert auf rp-online
Kritik von Cliff Brockerhoff auf Film Plus Kritik
Kritik von Dominik Kamalzadeh im Wiener Standard
Kritik von Antje Wessels

Kritik von Christina Tilmann zu "Maria Stuart" und "The Favourite" in der Neuen Züricher Zeitung


Interview von Patrick Heidmann mit Olivia Colman für die FAZ

Trailer (83 Sekunden):



Video-Kritik von Andreas Kilb (FAZ) (206 Sekunden):


Video-Kritik von Pfarrer Christian Engels (Die Filmshow) (5 Minuten):

ausführliche Kritik Filmdienst
Eine Zofe schickt sich an, am britischen Hof die Rolle der Lieblingsdame der Queen Anna Stuart (1665-1714) zu werden, wozu die bisherige Favoritin entthront werden muss. Ein opulenter, vor surrealer Dekadenz überquellender Historienfilm, der Anschluss an die Gegenwart sucht.

Entenrennen. Essensschlachten. Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos dürfte begeistert gewesen sein, mit „The Favourite“ einen Film über das britische Königshaus im 18. Jahrhundert zu drehen. Denn Exzesse beschäftigen ihn; seine Filme driften immer wieder ins Groteske. Wenn es einen aktuellen Filmemacher gibt, der die in Historienfilmen gerne weiträumig ausgebreitete Dekadenz schätzen kann, dann Lanthimos.

Dementsprechend vielfältig setzt er sie in „The Favourite“ in Szene, nicht nur, indem nackte Männer mit Perücken sich mit Lebensmitteln bewerfen. Er trägt die Dekadenz in seine Geschichte hinein, denn er erzählt von den Auswüchsen der Macht am Hof von Queen Anne Stuart (1665-1714), oder vielmehr von den Mitteln, die eingesetzt werden, um Zugriff auf die Inhaberin dieser Macht zu bekommen. Das heißt: Lanthimos erzählt eine Geschichte von Freundschaft und Berechnung.

Mischung aus Schwermut und Zügellosigkeit

Lady Sarah Churchill ist seit ihrer Jugend die beste Freundin der Königin, was nicht zu ihren leichten Aufgaben gehört. Rachel Weisz gibt Lady Sarah die Stimme der Vernunft, denn Sarahs tägliche Beschäftigung liegt darin, die Launen der Königin soweit zu entschärfen, dass sie nicht anfängt, sich selbst damit zu gefährden. Die Königin ist bockig und unberechenbar, dazu von Alter, Gicht und 17 Fehlgeburten körperlich ruiniert. Olivia Colman spielt die Herrscherin mit einer Mischung aus Schwermut und Zügellosigkeit, die fesselnder ist als alles, was ihr Hofstaat an Exzentrik an den Tag legt. Anne wütet, Anne schluchzt, Anne lässt sich die Beine mit rohem Fleisch umwickeln. 17 Kaninchen hält sie in ihrem Schlafzimmer, eins für jedes tote Kind. Natürlich hat Queen Anne auch Sex mit Lady Sarah, eine Intimität, von der beide profitieren. Denn Sarah will politischen Einfluss, und Anne regiert seit Jahren so, wie Sarah es ihr rät.

In dieses Kräfteverhältnis stößt eine dritte Frau: Abigail, die Cousine von Sarah, bittet um eine Stelle bei Hof. Abigail wurde von ihrem Vater beim Kartenspiel an einen Mitspieler verscherbelt, sie kennt das Leben aus einer anderen Perspektive als Sarah. Das bestimmt auch die Bemühungen um Annes Zuwendung, die Abigail sofort unternimmt, sobald Sarah sie als Dienstmädchen engagiert. Damit integriert sie Lanthimos als die böse Frau in der Geschichte, als diejenige, die Anne und Sarah auseinanderbringt, um einer persönlichen Machtposition willen. Aber die Königin und Lady Sarah sind Frauen, die einigermaßen unangreifbar leben können. Abigail hingegen darf jeder Passant ungestraft an die Wäsche; das sieht man, bevor sie zum ersten Mal ins Schloss kommt. Was sonst sollte eine Frau wie sie tun, als sich eine Machtposition zu sichern?

Diese Notwendigkeit ändert allerdings nichts an der Bosheit, mit der Emma Stone die Figur der Abigail ausstattet. Abigail will der neue Liebling von Anne werden, dazu muss Lady Sarah aus dem Weg geschafft werden. Es beginnen lange Sequenzen von Intrigen und Wortgefechten, die so gehässig geführt werden, dass man jede einzelne der drei Frauen dafür bewundert.

Alles an diesem Film ist opulent

Alles an diesem Film ist opulent: Die verzierten Räume des Palastes genauso wie das Weitwinkelobjektiv, mit dem die Kamera sie erfasst. Die Kostüme der Frauen genauso wie die turmhohen Haare der Männer, die hinter ihrem püppchenhaften Äußeren ihre püppchenhafte Existenz verstecken. Aber eben auch die Dialoge im skrupellosen Krieg der Frauen, die von Sarah realistisch, von Abigail verlogen, von der Queen mit erstaunlicher Kenntnis der Fronten geführt werden.

Für diese Frauen ist Lanthimos von der Bresson-haften Leidenschaftslosigkeit abgerückt, die seine Figuren bislang immer auszeichnete. In „The Favourite“ dürfen die Heldinnen jedes nur denkbar emotionale Register ziehen, was Colman, Weisz und Stone entschlossen genug tun, um auch die Möglichkeiten des Slapstick nicht zu verachten: Sie schubsen, kotzen und werfen sich um; ihr Stil verfällt gelegentlich in eine Komödie. Aber das hilft der Geschichte von „The Favourite“, die wenig Geheimnis birgt; der Titel verrät schließlich schon Anfang und Ende.

Der Weg ist in diesem Fall das Ziel, und auf diesem Weg entwirft Yorgos Lanthimos eine Vision des 18. Jahrhunderts, die er brillant mit der Gegenwart verquickt. Er gibt der Zeitgeschichte eine radikal neue Fassade, so bizarr und bedrohlich, wie man sich das im Kostümfilm-Genre von jetzt ab immer wünscht.

Eine Kritik von Doris Kuhn