Tully (Das bisschen Haushalt...)

  Freitag, 19. Oktober 2018 - 20:30 bis - 22:15
Treffer: 2581

Johanna von Koczian - Das bisschen Haushalt - 1977

Eintritt: 5,00 €

Komödie USA 2018
Kinostart:  31. Mai 2018
96 Minuten
FSK: ab 12; f

Regie/Produktion: Jason Reitman
Drehbuch: Diablo Cody
Kamera:
Musik:
Schnitt:

Darsteller:
Charlize Theron (Marlo) · Mackenzie Davis (Tully) · Mark Duplass (Craig) · Ron Livingston (Drew) · Elaine Tan (Elyse) · Colleen Wheeler (Dr. Smythe) · Emily Haine (Barista) · Asher Miles Fallica (Jonah) · Lia Frankland (Sarah)
 

Filmhomepage, Facebookseite  

Kritiken:
Kritik von Anke Sterneborg im Filmagazin EPD (4 von 5 Sternen)
Kritik von Dieter Gabi Sikorski auf Programmkino.de
Kritik von Julia Dettke in der FAZ
Kritik von Tobias Kniebe in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Dennis Vetter in der taz
Kritik von Beatrice Behn auf Kino-Zeit.de
Kritik von Frank Olberg in der Frankfurter Rundschau
Kritik von Oliver Kaever in der Zeit
Kritik von unbekannt im Tagesspiegel
Videkolumne von Susan Vahabzadeh


Artikel von Katja Belousova in der Welt zum Film und dem Thema Gebären/Geburt im Film
  
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Kurzkritik Filmdienst
Eine zweifache Mutter bringt nach einer anstrengenden Schwangerschaft ein drittes Kind zur Welt. Um wieder durchschlafen zu können, engagiert sie auf Anraten ihres Bruders eine so genannte Night Nanny, die sich nachts nicht nur um das Baby, sondern auch um den Haushalt kümmert. Die Mutter lebt dadurch förmlich wieder auf. Die humorvolle Komödie entzaubert zunächst recht realistisch den Mythos von Schwangerschaft und Muttersein, um dann eine ungewöhnliche Lösung anzubieten. Die Inszenierung setzt vor allem auf verhaltene Situationskomik mit witzigen Dialogen und popkulturellen Anspielungen. Der Film lebt dabei vor allem von der Hauptdarstellerin, die die körperlichen und seelischen Folgen von Mutterschaft und Älterwerden gut nachvollziehbar verkörpert.
Michael Ranze

Trailer (132 Sekunden):



BR KinoKino (65 Sekunden):

ausführliche Kritik Filmdienst
Eigentlich hat Marlo, eine Mittelschichtsangehörige aus einer US-amerikanischen Vorstadt, schon mit zwei Kindern genug: Jonah, der mit seinem autistischen Verhalten in der Schule für Unruhe sorgt, und Sarah, die im Schatten ihres älteren Bruders steht, der alle Aufmerksamkeit absorbiert. Doch nun ist auch noch ein drittes Kind unterwegs, und das macht den Alltag noch schwerer. Marlos Ehemann Drew ist keine große Hilfe. Beim abendlichen Videospielen entflieht er nur zu gern den häuslichen Verpflichtungen. Immerhin hat Marlos ebenso wohlhabender wie arroganter Bruder einen Vorschlag: Warum sie nicht eine „Night Nanny“, also ein Kindermädchen für die Nacht, engagieren, um wenigstens durchschlafen zu können? Marlo lehnt zunächst entrüstet ab. Eine fremde Frau komme ihr nicht ins Haus. Doch kaum ist das neue Baby auf der Welt, greift die verzweifelte Mutter auch schon zum Telefon. Noch am selben Abend steht Tully vor der Tür: jung, schön, freundlich, schlau und witzig. Keine Mühe ist ihr zu groß, keine Aufgabe zu abwegig. Liebevoll achtet sie auf das Baby, macht sauber und backt Plätzchen für die Kinder – all das, während Marlo schläft. Auch für eine gemeinsame Kneipentour hat sie Zeit. Marlo blüht förmlich auf. Plötzlich macht das Leben wieder Spaß, und auch ihr Sexleben mit Drew erhält neuen Auftrieb. „Tully“ ist nach „Juno“  und „Young Adult“ ( bereits die dritte Zusammenarbeit von Regisseur Jason Reitman und der Drehbuchautorin Diablo Cody. Man kann sich also auch hier darauf verlassen, dass die Dinge des Lebens ebenso humorvoll wie menschlich verhandelt werden. Im Rückblick entsteht sogar das Bild einer Trilogie, in der es um weibliche Selbstvergewisserung geht, ums Erwachsenwerden und der damit einhergehenden Verantwortung für andere. Schon in „Juno“ hatten die Filmemacher den Mythos der Schwangerschaft hinterfragt. Hier gehen sie noch einen Schritt weiter: Schwanger zu sein ist anstrengend, macht hässlich und schlapp. Charlize Theron veranschaulicht diese Prämisse als Marlo sehr deutlich. Einmal mehr nach „Monster“ beweist sie Mut zur Hässlichkeit und nimmt die Herausforderung einer extremen Körperlichkeit an. Schwerfällig steigt sie gleich zu Beginn die Treppe hinab, verschnauft mit kugelrundem Bauch und dicken Pausbacken auf dem Sofa. Das Bedauern über die verlorene Jugend verbindet den neuen Film mit „Young Adult“, in dem Theron ebenfalls schon die Hauptrolle spielte. Als sie nach der Schwangerschaft beim Joggen im Wald von einer jungen Frau überholt wird, versucht sie mitzuhalten, was nur kurz gelingt: Marlo ist älter geworden, ihr Körper will nicht mehr so wie früher, und er sieht auch nicht mehr so wie früher aus. Das ändert aber nichts an der aufopferungsvollen Liebe für ihre Kinder, insbesondere für Jonah, den sie seines Autismus wegen immer wieder verteidigen muss. Reitman/Cody setzen hier vor allem auf verhaltene Situationskomik mit witzigen Dialogen und popkulturellen Anspielungen. Genüsslich dekonstruieren sie den Alltag der Filmfigur, um ihr dann aus der Patsche zu helfen. Tully erscheint dabei mit ihrer Attraktivität und Energie, ihrem Elan und Ideenreichtum, ihrem Charme und ihrer Lebenstüchtigkeit wie das komplementäre Gegenstück zu Marlo und wird so zur Titelfigur des Films. Sie ist all das, was Marlo nicht ist. Oder besser: was Marlo gerne wäre. Für die sonst so gestresste Mutter kündigt sich ein neues Leben an, und das bemerkt auch Drew: „Ich liebe uns“, sagt er am Schluss – der vielleicht schönste Satz des Films.
Michael Ranze