Comrade, where are you today? – Der Traum der Revolution

  Donnerstag, 08. November 2018 - 19:30 bis - 21:15

 

 

Eintritt: frei

Übersetzung des Wortes "Comrade"

Finnland/Deutschland 2016
Kinostart: 18. August 2016
117 Minuten
FSK: ab 12; f

Regie/Buch/Produktio: Kirsi Liimatainen
Kamera: Yoliswa von Dallwitz · Christian Marohl · Till Vielrose · Hanno Moritz Kunow · Marc-Christian Weber 
Musik: Annsi Växby · Lasse Sakara
Schnitt: Jeannette Maria Giza · Stefanie Kosik · Antti Tuomikoski

 
Filmhomepage, alle Daten zum Film auf Filmportal.de

Kritiken:
Kritik von Barbara Schweizerhof im Filmmagazin EPD
Kritik von GabiSikorski auf Programmkino.de
Kritik von Dietrich Kuhlbrodt in der Konkret 
Kritik von Claudia Lenssen im Tagesspiegel 
Kritik von Frank Keil in der taz
Kritik von Falk Straub auf Kino-Zeit.de  

Deutschlandfunkkultur  
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Kurzkritik Filmdienst
25 Jahre nach dem Mauerfall sucht die finnische Regisseurin Kirsi Liimatainen ehemalige Kommilitonen der Ostberliner FDJ-Hochschule „Wilhelm Pieck“ auf, mit denen sie im Jahr 1988 die Lehren von Marx und Engels studierte. Daraus entwickelt sich eine spannende filmische Zeitreise, bei der sich die Träume von einst an den aktuellen Realitäten der Globalisierung brechen. Der sehr persönlich gehaltene Dokumentarfilm vermittelt zudem differenzierte Einblicke in die aktuelle Gegenwart in Ländern wie Bolivien, Südafrika und dem Libanon.
Reinhard Lüke

Trailer (98 Sekunden):


ausführliche Kritik Filmdienst
Die finnische Dokumentaristin Kirsi Marie Liimatainen wuchs in einem linken Akademiker-Haushalt auf. Schon als Kind wurde sie von ihren Eltern auf Demonstrationen gegen die Herrschaft des Kapitals mitgenommen. Als junge Erwachsene agierte sie als glühende Kämpferin gegen das Unrecht in der Welt. Es war für sie nur deshalb naheliegend, sich 1988 als Studentin für ein Jahr an der Ost-Berliner Hochschule „Wilhelm Pieck“ einzuschreiben, um die Grundlagen des Marxismus-Leninimus zu studieren. Dort traf sie vor allem mit Kommilitonen aus der sogenannten „Dritten Welt“ zusammen, die sich für ihre nationalen Befreiungskämpfe in Berlin das theoretische Rüstzeug aneignen wollten. Kurz nach Ablauf von Liimatainens Studienjahr brach aber nicht nur die DDR, sondern das kommunistische System insgesamt zusammen. 25 Jahre später macht sich Liimatainen in „Comrade, where are you today“ daran, einige ihrer damaligen Mitstudenten aufzusuchen, um herauszufinden, was von den einstigen Idealen in ihrem Alltag übriggeblieben ist. Das entpuppt sich als schwieriges Unterfangen, da sich viele der Studenten aus Angst vor Verfolgung in ihren Heimatländern damals nicht mit ihren richtigen Namen eingeschrieben hatten. Nach komplizierter Recherche macht die Autorin jedoch vier von ihnen ausfindig. Etwa die Bolivianerin Nidia, die erklärt, dass der Kommunismus so wenig zur indigenen Bevölkerung ihres Landes gepasst habe wie der Kapitalismus, da in beiden Systeme kein Platz für Spiritualität sei. An ihrem persönlichen Engagement für Gerechtigkeit habe sich aber nichts geändert, sagt Nidia, die heute als Heilerin arbeitet. Ähnlich sieht es der Chilene Marcelino, der einst gegen die Pinochet-Diktatur kämpfte. Den Libanesen Nabil findet die Autorin überraschenderweise in Berlin. Gemeinsam reisen sie in sein Heimatland, wo im Kreise der Familie engagierte politische Diskussionen entbrennen. Etwa über die Frage, warum die Linke während der politischen Umwälzungen im Zuge des Arabischen Frühlings in keinem Land eine Rolle gespielt hat. In Südafrika sucht die Regisseurin mit großer Akribie nach dem ehemaligen ANC-Kämpfer Duma, findet schließlich aber nur noch dessen Witwe. Der in seiner Erzählhaltung sehr persönliche Dokumentarfilm ist eine melancholische Zeitreise, die Archivbilder aus den Berliner Jahren, als die Protagonisten noch durch eine gemeinsame Weltanschauung geeint waren, mit aktuellen Bestandsaufnahmen in den jeweiligen Ländern verbindet. Die Autorin, die ihre Gedanken und Gefühle gelegentlich in Off-Kommentaren mitteilt, tritt dabei häufig in den Hintergrund. Wenn Nabils Clan über die deprimierende Situation im Nahen Osten debattiert, ist sie nur noch interessierte Zuhörerin. Bisweilen bricht der bedrohliche Alltag unmittelbar in das Geschehen ein, wenn während eines Picknicks plötzlich Schüsse zu hören sind. Eine filmisch weitgehend unspektakulärer, aber für politisch Interessierte sehenswerter Dokumentation, die mit einer Laufzeit von 110 Minuten allerdings etwas zu lang geraten ist.
Reinhard Lüke