Der traumhafte Weg

  Dienstag, 15. August 2017 - 19:30 bis - 20:50

Eintritt: 5,00 €

Der Film wird ohne Pause gezeigt.


Deutschland 2016
Kinostart: 27.April 2017
81 Minuten
FSK: ab 12; f

Regie/Drehbuch: Angela Schanelec
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Angela Schanelec, Maja Tennstedt

Darsteller:
Miriam Jakob (Theres), Thorbjörn Björnsson (Kenneth), Maren Eggert (Ariane), Phil Hayes (David), Anaïa Zapp (Fanny), Alan Williams (Kenneths Vater), Miriam Horwitz (Maklerin), Petra Trenkel (Theres' Mutter), Benjamin Hassmann (Thomas), Michel Drobnik (Thomas als Kind)
Piffl,  BluRay

 
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Kritik von Katja Nicodemus in der Wochenzeitschrift "Die Zeit": Der Trost von Bildern - Was im deutschen Kino alles möglich ist: Ein Film folgt einem Liebespaar über drei Jahrzehnte. Über das Traumhafte an Angela Schanelecs neuem Film "Der traumhafte Weg" 

Kritik des großartigen Dietmar Dath in der FAZ: Eine Geschichte lässt ihren Trost los - Angela Schanelecs Film „Der traumhafte Weg“ erzählt von mehreren Jahrzehnten, misslungenen Beziehungen und Blicken aus dem Bild – sehr streng, sehr schön. 

Kritik der Kritikerikone  Ekkehard Knörer im Spiegel: Drauf einlassen oder es sein lassen. Man muss sich dem "Traumhaften Weg" überlassen, oder man lässt es. Das ist kein Film für Leute, die in ihren Geschichten alles erklärt haben wollen. Angela Schanelecs Filme polarisieren, weil sie ihrer ganz eigenen, freien Erzähllogik folgen - ihr neuester "Der traumhafte Weg" sogar noch radikaler als frühere Werke. Gerade deshalb ist er auch beglückend.

Kritik von Cosima Lutz in der Welt: Der schönste traurige deutsche Film des Jahres

Kritik von Toby Ashraf in der taz:  „Der traumhafte Weg“ der Regisseurin Angela Schanelec lädt das Publikum ein, sich den Bildern hinzugeben und erzählerische Lücken auszuhalten.  

Videokritik von Susan Vahabzadeh in der Süddeutschen Zeitung - Absolut sehenswert: "Der traumhafte Weg" -  Wie lernt man, die Welt bewusster wahrzunehmen? Zum Beispiel durch die Filme von Angela Schanelec. Wer sich auf ihre langsamen Bilder einlässt, erlebt Großartiges.

Interview mit  Angela Schanelec auf Deutschlandradiokultur

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Nach gemeinsamen Sommertagen im Griechenland des Jahres 1984 entfremdet sich ein Liebespaar voneinander. Während die junge Deutsche Lehrerin und Mutter wird und nach Berlin zieht, bricht der drogenabhängige junge Engländer unter der seelischen Last zusammen, dass er gemeinsam mit seinem Vater das Leben der im Koma liegenden Mutter beendete. Derweil bemüht sich eine Schauspielerin in Berlin um die Trennung von ihrem Lebensgefährten. Ein betont „verschlossen“ erzählter, im guten Sinne anstrengender Spielfilm, konstruiert als schwebendes Mobile aus Einzelmomenten, die genaues Hinsehen erfordern, um den Erzählungen auf die Spur zu kommen. In seinem faszinierend kargen und strengen Minimalismus erinnert er mitunter an Werke von Robert Bresson und Jean-Luc Godard, fordert dabei ebenso konsequent wie sie dazu auf, sich auf das Abenteuer des Sehens und des Nachdenkens einzulassen.
Sehenswert ab 16.
Ulrich Kriest, FILMDIENST 2017/9

 

Trailer (42 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
Etwas geschieht, und etwas (davon) wird sichtbar. Ein junges Paar erklimmt mühevoll einen Anhang zu einem Platz. Oben angekommen, wird gemeinsam musiziert: „The Lion Sleeps Tonight“. Straßenmusik. Dann kommen andere junge Menschen hinzu, die ihrerseits eine Agenda haben. Ein Plakat wird ausgebreitet. Sommer 1984, der EU-Beitritt Griechenlands steht bevor und ist mit einigen Hoffnungen verbunden. Als der junge Mann, Kenneth, einen Anruf tätigt, erhält er eine Nachricht, die ihn zusammenbrechen lässt. Eine Beobachterin der Szene wird aufgeklärt, dass Kenneths Mutter einen Unfall erlitten habe. Kurz darauf kommt es zu einer erneuten Begegnung des Paares, diesmal in ihrer Heimatstadt. Eine gewisse Entfremdung ist nicht zu übersehen. Trotzdem werden Zukunftspläne geschmiedet. Jeder für sich. Die junge Frau, Theres, will Lehrerin werden, Griechisch und Latein.

Angela Schanelecs „Der traumhafte Weg“ ist angelegt wie ein schwebendes Mobile aus Einzeleinstellungen, die ein genaueres Hinsehen erfordern, wenn man der/den Geschichte(n), die sie (auch) erzählen, auf die Spur kommen will. Vertrauend auf die Neugier und die Fantasiebegabung des Zuschauers, belastet die Filmemacherin ihre Figuren nicht mit Geschichte oder psychologischen Profilen, nimmt vielmehr die Körper und die Textur ihrer Kleidung als Medien. Hier wird buchstäblich über Schuhe und Pullover erzählt. Hatten die Filmemacherin und ihr Kameramann Reinhold Vorschneider in früheren Filmen ihren Einfluss auf die Figuren/Darsteller durch lange Plansequenzen beschränkt, so inszenieren sie hier mit Ausschnitten und Einstellungen, deren Manier an Robert Bresson („Das Geld“,), Jean-Luc Godard („Nouvelle Vague“,) oder Huillet/Straub („Klassenverhältnisse“) erinnert – und durchaus von einem spezifischen Humor oder einer Freude am vermittelten Erzählen zeugt.

Der Film folgt den Geschichten des Paars, das sich aus den Augen verliert. Da ist die Geschichte von Kenneth, der mit seinem Schicksal hadert, Junkie wird, gemeinsam mit dem fast blinden Vater das Leiden der im Koma liegenden Mutter beendet, als gerade die Ostdeutschen den Reiz österreichisch-ungarischer Grenzgebiete entdecken. Da ist die Geschichte von Theres, die ein Kind bekommt, studiert und schließlich mit dem Kind nach Berlin zieht. In Berlin, dem Berlin der Gegenwart, kommt eine weitere Geschichte vom Ende einer Beziehung hinzu: Eine Schauspielerin versucht, sich von einem Anthropologen zu trennen, mit dem sie eine Tochter hat. Auch hier wirkt manches auf den ersten Blick mysteriös, fragmentarisch und isoliert, aber, wenn man die Puzzleteilchen an Informationen zusammenlegt, wird auch hier deutlich, wie präzise der Erzählfluss des Films, wie durchdacht und sinnig jedes Detail in Szene gesetzt ist.

Der Filmtitel bezeichnet treffend das Erzählverfahren und seine Freiheit(en). „Der traumhafte Weg“ fungiert dabei auch als Intervention gegenüber dem konventionellen und überdeterminierten (Fernsehspiel-)Realismus, wie er hierzulande mittlerweile auch 80 Prozent der Kinofilme zu eigen ist, aber nicht im Sinne einer destruktiven und frustrierenden Hermetik, sondern eher als Geste freundlichen Entgegenkommens auf der Basis gegenseitigen Respekts. Wenn die Geschichten, die in „Der traumhafte Weg“ „vorgestellt“ werden, auf der Zielgeraden – nach mehr als 30 Jahren! – enggeführt werden, dann ist es das Privileg des aufmerksamen Beobachters, die Spannung dieser Engführung zu genießen. Den Figuren bleibt sie verborgen, weil sie nichts voneinander wissen. Am Ende: ein Verschwinden, ein Schuh auf dem Bahnsteig. Und der Film? Der hat sich wesentlich um einen Ort gekümmert, an dem die Engführung, die keine Begegnung ist, „plausibel“ ist.

Wenn Angela Schanelec davon spricht, dass sie schließlich auch die Zuschauerin ihres Films sei, dann sollte man das als Angebot verstehen, ihr ein wenig dabei in die Karten schauen zu dürfen, wie sie sich selbst eigene Fragen beantwortet und dafür/dabei ungewöhnliche künstlerische Lösungen findet. Ausgangspunkte von „Der traumhafte Weg“ waren vielleicht die Begegnung mit Obdachlosen im Alltag und die Fragen nach deren Geschichten, ergänzt vielleicht durch eine Lektüre von „Traurige Tropen“ von Levi-Strauss, die Begegnung mit dem isländischen Sänger und Performer Thorbjörn Björnsson (der die Hauptrolle spielt) und die Lust, einmal mehr mit Maren Eggert zu drehen. Was daraus wurde? Ein Kinofilm im emphatischen Sinne und eine Einladung, sich auf das Abenteuer des Sehens und des Nachdenkens einzulassen.

Ulrich Kriest, FILMDIENST 2017/9