Knives Out (gewetzte Messer) – Mord ist Familiensache (FAZ-Filmkritik: "unfassbar unterhaltsam")

  Freitag, 07. Februar 2020 - 20:30 bis - 22:50
FAZ Video-Filmkritik von Maria Wiesner (4 Minuten):

Eintritt: 5,00 €

USA 2019
Kinostart: 2. Januar 2020
131 Minuten
FSK: ab 12; f

Regie/Drehbuch: Rian Johnson  
Kamera: Steve Yedlin
Musik: Nathan Johnson
 
Schnitt: Bob Ducsay

Darsteller: 
Daniel Craig (Benoit Blanc) · Chris Evans (Ransom Drysdale) · Ana de Armas (Marta Cabrera) · Jamie Lee Curtis (Linda Drysdale) · Michael Shannon (Walt Thrombey) · Don Johnson (Richard Drysdale) · Toni Collette (Joni Thrombey) · Lakeith Stanfield (Lieutenant Elliott) · Christopher Plummer (Harlan Thrombey) · Katherine Langford (Meg Thrombey) · Jaeden Martell (Jacob Thrombey) · Frank Oz (Alan Stevens) · K. Callan (Greatnana Wanetta) · Noah Segan (Trooper Wagner) · M. Emmet Walsh (Mr. Proofroc) 

Auszeichnungen (39 Filmpreise plus 85 weitere Nominierungen):
IMDB
Wikipedia (Auswahl)

WIKIPEDIA  

Kritiken:
Kritik von Barbara Schweizerhof in der Zeit
Kritik von Sofia Glasl in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Maria Wiesner in der FAZ (plus Video-Filmkritik)
Kritik von Antje Wessels auf Wessels Filmkritik
Kritik von Kai Mihm im Filmmagazin EPD (3 von 5 Sternen)
Kritik von Jörg Gerle im Filmdienst (3 von 5 Sternen)

Kritik von Christopher Diekhaus auf Spielfilm.de (4 von 5 Sternen)
Kritik von Oliver Armknecht auf Filmrezensionen.de (8 von 10 Sternen)
Kritik von Dieter Oßwald auf Programmkino.de (Gilde deutscher Filmkunsttheater)
Kritik von David Kleingers im Spiegel
Kritik von Kerstin Decker im Tagesspiegel
Kritik von Axel Timo Purr auf artechock film
Kritik von Rochus Wolff auf Kino-Zeit.de
Kritik von Christoph Petersen auf Filmstarts.de (4,5 von 5 Sternen)
Kritik von Dominik Kamalzadeh im Wiener Standard
Kritik von Gunther Baumann auf Filmclicks.at
Kritik von Andreas Scheiner in der Neuen Züricher Zeitung
Kritik von Denise Bucher in der Neuen Züricher Zeitung am Sonntag


Trailer (223 Sekunden):



FAZ Video-Filmkritik von Maria Wiesner (4 Minuten):


arteshots – mit Axel Timo Purr und Felicitas Hübner (5 Minuten):


ausführliche Kritik Filmdienst  
Augenzwinkernde Kriminalkomödie um den Mord an einem Familienpatriarchen, der an seinem 85. Geburtstag das Zeitliche segnet.

Ein Mord, ein Dutzend Verdächtige an einem Ort, und ein Meisterdetektiv, der den entlarvt, auf den man nie gekommen wäre. Diese Spielart des Krimis ist auf wundersame Weise gerade wieder sehr beliebt. Untrennbar verbunden mit dieser „Whodunit“-Dramaturgie (lautmalerisch für „Who hast done it?“, wer hat es getan) sind die Agatha-Christie-Figuren Miss Marpel und Hercule Poirot. Wenn ihre Fälle in den Wiederholungen des Fernsehens immer wieder „neu“ aufgerollte werden, tut das treue Publikum so, als wüsste es nicht, wer der Täter ist, was eindrücklich die These widerlegt, dass es im Krimi primär darauf ankäme, wer wen auf welche Weise um die Ecke gebracht hat. Der Erfolg dieses Genres liegt aber nicht am Ehrgeiz oder an der Befriedigung, den Mörder von „Mord im Orient-Express“ oder „16 Uhr 50 ab Paddington“ möglichst noch vor dem Detektiv zu enttarnen. Das Sujet ist vielmehr vor allem deshalb so beliebt, weil es so schön übersichtlich ist.

Ein wohliges Gruseln

Da alle potenziellen Täter am Tatort versammelt sind, müssen diese auch so lange dort ausharren, bis der Mörder überführt ist. Das erzeugt ein wohliges Gruseln; die Gewissheit, dass der Bösewicht unerkannt, aber dennoch zum Greifen nahe ist, sorgt für Gänsehaut. Zudem ist ein „Whodunit“-Krimi zumeist ein Ensemble-Stück, in dem sich beliebte Stars zum „High-Tea“ in Schale schmeißen, um als Baron oder Baroness ebenso konsequent wie unglaubwürdig die Täterschaft zu leugnen.

In „Knives Out“ sind es mindestens sechs Personen, die sich als mustergültige „Whodunit“-Familie zusammenscharen, ihr Oberhaupt um die Ecke bringen und einem Detektiv die Arbeit überlassen, das Schlamassel aufzuklären. Doch auch wenn eine thematische Verwandtschaft kaum zu leugnen ist, stammt das Drehbuch nicht von Agatha Christie, sondern vom Regisseur Rian Johnson, der das Genre belebt, ohne es zu revolutionieren.

Jeder hat ein Motiv

Harlan Thrombey (Christopher Plummer) ist ebenso reich wie unbeliebt. Deshalb ist es nicht sonderlich erstaunlich, dass jemand ausgerechnet Thrombeys 85. Geburtstag ausersehen hat, um ihn nachts mit einem gezielten Schnitt ins Jenseits zu befördern. Ungewöhnlicher ist es schon, dass ein anderer in rätselhafter Voraussicht einen Detektiv engagiert hat, der den Mord sogleich aufzuklären bereit ist. Deshalb kommt auch schnell ans Licht, dass Thrombeys Pflegekraft Marta Cabrera (Ana de Armas) ihm durch eine falsche Medikation noch vor seinem gewaltsamen Tod eine tödliche Dosis Morphium verabreicht haben könnte. Da Thrombey in seinem Testament ausgerechnet Marta als Alleinerbin des Hauses und seines beträchtlichen Vermögens eingesetzt hat, scheint die Recherche des Detektivs (Daniel Craig) schon bald zu einem eindeutigen Ergebnis zu führen.

Doch auch die Verwandtschaft hätte den ein oder anderen Grund für einen Mord. Denn Thrombey wusste von einer geheimen Affäre, mit der sein Schwiegersohn (Don Johnson) seine Frau, Thrombeys wenig geliebte Tochter Linda (Jamie Lee Curtis), betrogen hat. Der Familienvorstand war überdies informiert, dass Trombey von seiner Schwiegertochter Joni (Toni Collette) bestohlen wird. Und überdies hatte der Tote seinen Sohn Walt (Michael Shannon) aus seinem Unternehmen geworfen und seinen Enkel Hugh (Chris Evans) mit Wissen des Verwandten enterbt.

Das ist Stoff genug für zwei Stunden voller Wendungen und Wallungen, bis letztendlich der/die wahre Täter(in) im Showdown aus dem Hut gezaubert werden.

„Knives out“ (zu Deutsch etwa: gewetzte Messer) macht vor allem Spaß. Inbesondere die Kunst, die fein ausgearbeiteten Dialoge von illustren Schauspielern ins Szene gesetzt zu sehen, bereitet großes Vergnügen.

Ein turbulent-schräges Vergnügen

Regisseur Rian Johnson hat zwar schon mit seinem Debütfilm „Brick“ (2005) ein Gespür für Krimis signalisiert, doch dann eher im fantastischen Genre mit „Looper“ (2012) und „Star Wars: Die letzten Jedi“ (2017) von sich reden gemacht, zwei Werke, die nicht gerade durch dialogische Gewitztheit bestachen. Dass er sich aber auch auf scharfe Pointen versteht, beweist „Knives out“, ohne dass Johnson es damit übertreiben würde. Der Film ist im besten Sinne altmodisches, weil handwerklich versiertes und durchdachtes Kino, das eine moderne Attitüde besitzt, ohne dem Zuschauer Klimbim zuzumuten. Nicht zuletzt resultiert das kurzweilig-turbulente und mitunter auch abenteuerlich-schräges Vergnügen aus dem Charme der Schauspieler und deren Spaß am kostümierten Overacting.

Der Regisseur glaubt dabei nicht nur an seinen Film, sondern auch an den Erfolg des „Whodunit“, weshalb er für Wiederholungstäter einen besonderen Service lanciert hat. Unter der Website knivesout.movie kann man sich den englischen Audiokommentar von Rian Johnson als mp3-Datei herunterladen, dem man beim zweiten Besuch im Kino via Kopfhörer parallel lauschen kann. Das ist nicht nur wegen verwegener Plotpoints erhellend, sondern auch zur Veranschaulichung filmtechnischer Kniffe ein Gewinn. Und zudem ein cooler Gag für all jene, die nicht auf die Blu-ray warten wollen.

Eine Kritik von Jörg Gerle