Stan & Ollie (Dick & Doof)

  Freitag, 14. Juni 2019 - 20:30 bis - 22:20




Filmkritik von Pfarrer Christian Engels, Leiter des Filmkulturellen Zentrums im Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (8 Minuten):



Eigener Text Kino achteinhalb:
Der gebürtige Engländer Stan Laurel (1895 – 1965) und der US-Amerikaner Oliver Hardy (1892 – 1957) bildeten in den dreißiger Jahren das beliebteste Komiker-Duo der Welt. Ihren letzten Film drehten sie 1951 – ihren vorletzten 1945. Sechzig Jahre alt und weitestgehend in Vergessenheit geraten begeben sie sich 1953 auf eine strapaziöse, achtmonatige Tour durch Großbritannien, in der sie ihre Sketche live auf der Bühne spielen und versuchen, an alte Erfolge anzuknüpfen. Zu Beginn ihrer Tour kreuz und quer durchs Land sind die Zuschauerräume enttäuschend leer. Doch nach einigen Wochen beginnt der Funke auf ihr Publikum überzuspringen. Es gelingt ihnen durch den Charme und die Brillanz ihrer Aufführungen, alte Fans zurückzugewinnen und neue zu begeistern: Die Tour wird zu einem Riesenerfolg vor ausverkauften Sälen in den renommiertesten Theatern des Landes. Doch gesundheitliche Probleme und jahrelang unausgesprochene Kränkungen belasten den weiteren Verlauf der Tour. – Ein im besten Sinne anrührender Film, der einem die besondere Komik des Duos nahebringt und in dem Steve Coogan und John C. Reilly als Stan & Ollie brillieren.
Manch einer verwechselt den Humor von Stan & Ollie mit Slapstick. Zu Beginn des Stummfilms betätigten sich viele Leinwandkomiker im Slapstick. Dort wurde eine brachiale, körperbetonte (Prügeleien, Verfolgungsjagden, Tortenschlachten) aber auch anarchistische Komik zelebriert – wobei nicht wenige Lacher aus Schadenfreude resultierten.  Dieser körperbetonte Humor war aber nicht der von Stan & Ollie. Klassisch für Laurel & Hardy ist z. B.  "Wie du mir, so ich dir": Das im Original "Tit for tat" genannte Stilmittel wird immer wieder neu variiert, indem die beiden sich gegenseitig Schaden zufügen und dieses jeweils mit einer stoischen Fassung über sich ergehen lassen, bevor sie zum Gegenschlag ausholen.

Die meisten kennen "Stan & Ollie" sicherlich als "Dick & Doof":
1973 bis 1986 lief im ZDF "Väter der Klamotte" und von 1975 bis 1979 "Männer ohne Nerven". In beiden Formaten wurden Kurzfilme aus dem Genre Slapstick präsentiert – das Ganze lebte vor allem von den eingesprochenen Kommentaren des großartigen Kabarettisten Hans Dieter Hüsch. Dort wurden die beiden als "Dick & Doof" präsentiert.
In dem Zusammenhang möchten wir an ein weiteres Komikerduo erinnern, das zu dieser Zeit auch seinen festen Sendeplatz im ZDF hatte und ebenfalls von Hans Dieter Hüsch kommentiert wurde: die beiden Dänen Pat & Patachon. Pat (Carl Schenenstrom) und Patachon (Harald Madsen) waren zwischen 1921 und 1940 Europas beliebtestes Komikerpaar. Regisseur Lau Lauritzen schuf das Duo nach dem Vorbild „Don Quichotte und Sancho Pansa“.



Eintritt: 5,00 €

Großbritanien 2018
Kinostart: 9. Mai 2019
99 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie: Jon S. Baird
Drehbuch: Jeff Pope
Vorlage: Der gleichnamige Roman von A.J. Marriot
Kamera: Laurie Rose
Musik: Rolfe Kent
Schnitt: Billy Sneddon · Úna Ní Dhonghaíle

Darsteller:
Steve Coogan (Stan Laurel) · John C. Reilly (Oliver Hardy) · Shirley Henderson (Lucille Hardy) · Nina Arianda (Ida Kitaeva Laurel) · Rufus Jones (Bernard Delfont) · Danny Huston (Hal Roach) · Joseph Balderrama (James Horne) · John Henshaw (Nobby Cook) · Keith MacPherson (James Finlayson) · Richard Cant (Harry Langdon)

WIKIPEDIA  
Das Laurel & Hardy Museum
Pressespiegel auf IMDb
Pressespiegel auf Filmstarts.de 

Kritiken:
Kritik von Frank Schnelleim Filmmagazin EPD (4 von 5 Sternen)

Kritik von Jens Hinrichsen im Filmdienst (3 von 5 Sternen)
Kritik von Peter Osteried auf Programmkino.de
Kritik von Oliver Kube auf Filmstarts.de (4 von 5 Sternen)
Kritik von Hannah Pilarczyk im Spiegel
Kritik von Patrick Heidmann in der FAZ
Kritik von Fritz Göttler in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Wolf Lepenies in der Welt
Kritik von Oliver Armknecht auf Filmrezensionen.de
Kritik von Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau
Kritik von Christian Schröder im Tagesspiegel
Kritik von Barbara Schweizerhof in der taz
Kritik von Lucas Barwenczik auf Kino-Zeit.de
Kritik von Rüdiger Suchsland auf artechock film
Kritik von Katja Nicodemus für NDR Kultur
Kritik von Antje Wessels
Kritik von Falk Straub auf Spielfilm.de (4 von 5 Sternen)
Kritik von Esther Buss im Wiener Standard
Kritik von Mathias Greuling in der Wiener Zeitung

Unbedingt ansehen - "Stan & Ollie": Videokolumne von David Steinitz für die Süddeutsche Zeitung (3,5 Minuten)

Videokritik (85 Sekunden) von Knut Elstermann auf RBBradioeins

Artikel von Nina Jerzy in der Neuen Züricher Zeitung

  
Trailer (136 Sekunden):



Bericht von ARD KinoKino (4 Minuten):


Filmkritik von Pfarrer Christian Engels, Leiter des Filmkulturellen Zentrums im Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik
(8 Minuten):


ausführliche Kritik Filmdienst 
Filmbiografie über die letzte Theatertournee des legendären Komiker-Duos Laurel & Hardy, die in Steve Coogan und John C. Reilly verblüffend wirklichkeitsnahe Film-Wiedergänger gefunden haben.

Eine „Sentimental Journey“ ist „Stan & Ollie“ in mehrfacher Hinsicht. Passenderweise beginnt der Film mit einer langen Fahrt durch ein Studiogelände in Hollywood. Das Kameraauge gleitet an Statistenhorden, Lampenbatterien und Filmkulissen vorbei, in einer Plansequenz, wie sie alleine Computertechnik zu zaubern vermag. Das alte Hollywood trifft die neue, volldigitale Traumfabrik.

Doch ohne analoge Schauspielkunst geht es nicht. Zumindest, wenn ein Mythos wie „Laurel and Hardy“ rekreiert werden soll. Verblüffend, wie Steve Coogan als Stan Laurel und ein mit Fatsuit und aufwändiger Schwabbelmaske ausgestatteter John C. Reilly als Oliver Hardy sich die Ticks und das Timing des großen Komiker-Duos angeeignet haben, einschließlich des legendären „Slow Burn“, der verzögerten Reaktion. In einer Reihe authentischer Theatersketche zeigen die Darsteller eine Mimikry, ein imitatorisches Können, das auch großen Schauspielern nicht immer gegeben ist.

Die schwerelose Virtuosität ihrer Vorbilder erreichen Coogan und Reilly auch in dem legendären Tanz vor dem Saloon aus „Dick und Doof im Wilden Westen“, der 1937 in den Hal-Roach-Studios gedreht wird. Hier, auf dem Höhe- und vielleicht auch dem Wendepunkt ihrer Karriere, beginnt der Film. Laurel verhandelt mit dem Produzenten Roach um mehr Geld. Er baut auf die Solidarität seines Filmpartners, doch Hardy zögert. Der schwergewichtige Komiker ist spielsüchtig, aber im Filmgeschäft so gar nicht risikobereit. Laurels Initiative führt zu einem Wutanfall des Produzenten. Es ist der Anfang vom Ende der Zusammenarbeit mit Roach.

Ein Handlungssprung führt ins Jahr 1953

Die Einführung skizziert also das historisch verbriefte Zerwürfnis mit dem Lachmuskel-Magnaten, während die weitere Filmpartnerschaft des Duos bei den Konkurrenzfirmen Metro-Goldwyn-Mayer und 20th Century Fox ausgespart wird. Die Handlung springt dann ins Jahr 1953, als Laurel und Hardy zu einer Theatertour in England, Schottland und Irland aufbrechen. In diesen acht Monaten ihrer letzten Tournee spielen die beiden, die ihren Status als Kassenknüller verloren haben, häufig vor halbleeren Auditorien. Zudem ist Hardy gesundheitlich schwer angeschlagen. Während eines Schönheitswettbewerbs in Plymouth, bei dem die Komiker als Juroren gebucht sind, erleidet der Schauspieler einen Herzanfall. Doch obwohl es so aussieht, ist die Tournee noch nicht zu Ende. Drehbuchautor Jeff Pope hielt sich bei der Adaption des Buchs „Laurel & Hardy – The British Tours“ weitgehend an die Tatsachen, auch wenn Hardy nicht vor Badeschönheiten zusammenbrach und seine leichte Herzattacke die Auftritte ganz beendete. Der Film hält dagegen ein anrührendes Finale auf der Bühne bereit.

Sind Film-Ikonen ewig? Oder könnte selbst dieses ikonische Paar der Kinogroteske dem Vergessen anheimfallen? „Stan & Ollie“ mag dazu verhelfen, die Erinnerung an zwei große Künstler weiterzutragen. Interessant ist der Film auch deshalb, weil er die umgekehrten Rollen der Darsteller nach Drehschluss und hinter den Kulissen sichtbar macht. Das dürfte sogar manchen Fan überraschen. Stan war auf der Leinwand der infantile, schnell überforderte und dann in Tränen ausbrechende Schussel, während Ollie sich stets, wenn auch irrtümlich, überlegen wähnte. In Wirklichkeit war Laurel der Kopf des Duos. Als treibende Kraft kümmerte er sich auch um Regie, Schnitt und die Ausarbeitung der Gags. Hardy war weniger kreativ, ließ sich mitziehen. Zerstritten waren die beiden nie.

Ihr Verhältnis war relativ konfliktarm

Regisseur Jon S. Baird muss einige Mühe aufwenden, das an sich konfliktarme Verhältnis der Hauptfiguren einigermaßen spannungsreich zu inszenieren. Nur einmal bahnt sich ein handfester Krach an. Auf einem Empfang wirft Laurel seinem Partner – der unter Roach 1939 mit Harry Langdon Zenobia gedreht hatte – „Betrug“ vor. „Ich habe dich geliebt“, klagt Laurel leise. Hardy kontert mit dem Vorwurf, dass sein Kollege nur die Marke Laurel & Hardy, aber niemals ihn als Person geliebt habe. Dafür wirft ihm Laurel vor anwesenden Gästen ein Stück Kuchen in den Nacken. Ein müdes Echo des Wie-du-mir-so-ich-dir-Spiels, das von den Komikern schon in der Stummfilmzeit perfektioniert worden war.

Einen gewissen Energieschub erhält die Story mit der Ankunft der beiden Ehefrauen in England. Shirley Henderson verleiht Hardys texanischer Gattin Lucille eine eher stille Präsenz, während Nina Arianda die russischstämmige Ida Kitaeva Laurel mit Verve verkörpert. Sie hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Gesundheit ihres Mannes sicherzustellen – indem sie verhindert, dass Stan auch nur ein Schlückchen Alkohol zu sich nehmen kann.

In den Sketchen sind Coogan & Reilly fantastisch

In den Sketchen sind Coogan und Reilly fantastisch: in einer irrwitzigen Krankenhausszene – die Laurel aus „County Hospital“ (1932) für die Bühne umschrieb – oder einem Auftritt in einer Bahnstation-Kulisse, bei dem sich die Freunde suchen und ständig verpassen. Mehr aber noch imponiert die Art und Weise, wie die Darsteller die privaten Figuren Laurel und Hardy gleichsam erfinden, denn hier müssen die Schauspieler die Eigenarten und Manierismen der Komiker ja zurücknehmen und Zwischentöne zulassen.

Von den Schauspielern abgesehen, ist „Stan & Ollie“ allerdings kein ganz großer Wurf. Anhand des fraglos größten Komiker-Duos der Filmgeschichte hätte man das Thema künstlerischer Meisterschaft, die vom Kommerz erstickt wird, plastischer herausarbeiten können. Schließlich wurden Laurel und Hardy im Verlauf ihrer Filmkarriere zunehmend als Sidekicks im Rahmen banaler Liebesgeschichten missbraucht. Ihre ursprüngliche Anarchie wurde entschärft.

„Stan & Ollie“ wirkt mehr wie ein Museumsstück. Man kann die Helden wie in einer Vitrine bewundern; mit der gegenwärtigen Zeit hat das Paar wenig zu tun. Denn heute scheinen Komik und Groteske ihre künstlerische Autonomie weitgehend verloren zu haben. Die historische Funktion des Spaßmachers liegt darin, den Mächtigen einen Zerrspiegel vorzuhalten und ihr Treiben ad absurdum zu führen. Heute drängt es Komiker wie Beppe Grillo (Italien), Marjan Šarec (Slowenien) oder Wolodymyr Selenskyj (Ukraine) selbst in die Politik. Wie hätten die Filmkomiker der Goldenen Ära diese Karrieren kommentiert?

Eine Kritik von Jens Hinrichsen