Seniorenkino: Der Vampir auf der Couch (500 Jahre Ehe sind genug)

  Dienstag, 05. Februar 2019 - 15:30 bis Dienstag, 05. Februar 2019 - 16:10



Ort: Alte Exerzierhalle am Neuen Rathaus
Einlass: ab 14.30 Uhr
Eintritt: 4,00 €
Kaffee und Kuchen für 2,50 €

In einer Nebenrolle: David Bennent (Oskar Matzerath aus der Blechtrommel)
Die Freunde der Sesamstraße werden unschwer erkennen, auf welche Art und Weise dieser Film von Graf Zahl inspiriert worden ist.

Der Vampir auf der Couch / Therapie für einen Vampir
Komödie Österreich 2014

Kinostart Deutschland: 10. September 2015
98 Minuten
FSK ab 12; f

Regie/Drehbuch: David Rühm     
Kamera: Martin Gschlacht    
Musik: Beat Solèr  
Schnitt: Claudio Cea    

Darsteller:
Tobias Moretti (Graf Geza von Közsnöm), Jeanette Hain (Gräfin Elsa von Közsnöm), Cornelia Ivancan (Lucy), Dominic Oley (Viktor), David Bennent (Radul), Karl Fischer (Dr. Sigmund Freud), Erni Mangold (Fräulein Sedlacek), Lars Rudolph (Oscar), Anatole Taubman (Ignaz, der Einbrecher), Julia Jelinek (Dienstmädchen), Christoph Krutzler (Olaf), Tobias Ofenbauer (Klaus Heinrich)

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst
Ein Vampir sucht 1932 in Wien die Praxis von Sigmund Freud auf, da er seines Daseins und seine 500 Jahre währende Ehe müde ist. Aus dem Zusammenprall zwischen „normaler“ Welt und Vampirwelt schlägt die Komödie wunderbar absurde Funken. Die stimmige Kombination von Psychoanalyse und Vampirismus entfaltet ein illustres Spiel um Identitäten und Projektionen und erzählt mit rasantem Wortwitz und raffinierten Wendungen eine gelungene Screwball-Comedy. Die Freunde der Sesamstraße werden unschwer erkennen, auf welche Art und Weise dieser Film von Graf Zahl inspiriert worden ist. Der ebenso kluge wie komische Film glänzt neben durchweg guten Schauspielerleistungen vor allem durch die selbstironische Performance Tobias Morettis.
Sehenswert ab 14
Katharina Zeckau

Filmhomepage, WIKIPEDIA, Presseheft (mit sehr lesenwertem Interview mit Regisseur David Rühm)

positive Kritiken
Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de 
Kritik von Katharina Zeckau im Filmdienst
Kritik von Andrea Heinz in der Wiener Standard 
Kritik von Ingrid Beerbaum auf Kunst & Film
Kritik von Gunda Bartels im Tagesspiegel
Kritik von Frank Schmidke auf Cinetastic.de
Kritik von Anke Sterneborg im Filmmagazin EPD
Kritik von Harald Mühlbeyer auf Kino-Zeit.de

negative Kritiken:
Kritik von Barbara Möller in der Welt

Kundenrezensionen auf Amazon

Trailer (98 Sekunden):

ausführliche Kritik Filmdienst
Im Grunde erzählt dieser Film von der ganz normalen Hölle eines langen Ehelebens. Allerdings potenziert um das Hundertfache zweier Vampirleben, die bekanntlich nie enden. Und therapieren soll das Ganze niemand Geringeres als Sigmund Freud höchstpersönlich. Was für eine grandiose Ausgangslage für eine tiefschwarze Komödie! Der österreichische Autor und Regisseur David Ruehm enttäuscht die eingangs geweckten Erwartungen keineswegs: „Therapie für einen Vampir“ ist klug und komisch, glänzt mit geschliffenem Wortwitz und neben durchweg tollen Schauspielleistungen vor allem mit einer herrlich selbstironischen Performance von Tobias Moretti.

Ruehm ist freilich nicht der Erste, der Psychoanalyse und Vampirismus zusammenbringt. Der Literaturwissenschaftler Laurence A. Rickels nennt beide sogar die „miteinander konkurrierenden Wissenschaften des Untoten“. Auch ist Ruehm bei weitem nicht der Erste, der sich der Welt der Vampire auf komödiantischen Pfaden nähert. Doch die Kombination aus all dem ist wunderbar originell und so stimmig, dass man sich wundert, dass noch keiner vor ihm auf diese Idee gekommen ist.

Die Handlung spielt 1932 in Wien: Ein neuer Patient sucht Freuds Praxis auf, Graf Geza von Közsnöm. Dass er nur abends Zeit hat, wundert den Psychoanalytiker nicht weiter. Der Graf ist seines Daseins müde, vor allem aber ist er furchtbar genervt von seiner Frau. Die verlangt jede Nacht, dass er ihr Äußeres beschreibe (Vampire haben schließlich kein Spiegelbild). Wie Freud nun versucht, den Eheproblemen des Grafen auf sachlich-wissenschaftliche Weise beizukommen und bei der Gräfin eine Scopophobie konstatiert, erzeugt in der Diskrepanz zur wüsten vampirischen Parallelwelt eine wunderbar absurde Komik. Richtig Fahrt nimmt die Handlung auf, als der Graf bei Freud das Porträt einer jungen Frau entdeckt: Es zeigt Lucy, die Freundin des jungen Malers Viktor, der für den Psychoanalytiker regelmäßig Traumillustrationen erstellt. Der Graf erkennt in ihr eine Wiedergängerin seiner großen Liebe Nadila, die Jahrhunderte zuvor Vampirjägern zum Opfer fiel, und setzt alles daran, Lucy für sich zu gewinnen. Da die selbstbewusste Lucy im ruppig-leidenschaftlichen Dauerclinch mit ihrem etwas konservativen Geliebten liegt, kommt ihr der Graf gerade recht. Der wiederum gibt ein Porträt seiner Frau bei Viktor in Auftrag, um beide für die geplanten Schäferstündchen mit Lucy/Nadila loszuwerden.
Die daraus folgenden Gefühlsverirrungen und -wirrungen inszeniert Ruehm als Spiel um Identitäten, Projektionen und Bilder, die man sich voneinander, aber auch von sich selbst macht – und die zur Obsession werden: Was zur Liebe im Allgemeinen, aber natürlich auch zur Psychoanalyse und den spiegelbildlosen Vampiren passt. Transportiert wird das über raffinierte Wendungen in der Handlung und ebenso intelligente wie witzige Dialoge, die dem Zuhörer im rasanten Ping-Pong-Stil um die Ohren fliegen. Damit ist „Therapie für einen Vampir“ im Grunde eine lupenreine Screwball Comedy, erweitert um das sehr komisch eingesetzte Vampir-Motiv: Ein schöner Running Gag ist beispielsweise der Zählzwang der Untoten. Auch die Psychoanalyse wird auf subtile Weise auf die Schippe genommen, etwa in Freuds eigenen Albträumen (von kaltem Wasser). Denn ob es nun um Therapie, die profane Teilung von Rindfleisch oder das Malen von Bildern geht: Alles findet hier stets nach einer ominösen „Methode“ statt. Ein durchweg liebevoll gestalteter Film, der nach einem Jahrhundert voller Vampirfilme durch eine originelle Herangehensweise glänzt.

Katharina Zeckau, FILMDIENST 2015/18