Der junge Karl Marx

  Donnerstag, 13. September 2018 - 19:30 bis - 21:15

Eintritt: frei

Frankreich/Deutschland 2016
Kinostart: 2. März 2017
118 Minuten
FSK: ab 6; f

Regie: Raoul Peck
Buch: Pascal Bonitzer und Raoul Peck 
Kamera: Kolja Brandt
Musik: Alexei Aigui
Schnitt: Frédérique Broos 

Darsteller:
August Diehl (Karl Marx) · Stefan Konarske (Friedrich Engels) · Vicky Krieps (Jenny Marx) · Olivier Gourmet (Pierre Proudhon) · Michael Brandner (Joseph Moll) · Alexander Scheer (Wilhelm Weitling) · Hans-Uwe Bauer (Arnold Ruge) · Peter Benedict (Friedrich Engels' Vater) · Hannah Steele (Mary Burns) · Niels Bruno Schmidt (Karl Grün) · Marie Meinzenbach (Lenchen) · Rolf Kanies (Moses Hess)
 

Filmhomepage, Wikipedia, alle Daten zum Film auf Filmportal.de

Kritiken:
Kritik von Sascha Westphal im Filmagazin EPD
Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de
Kritik von Gerhard Midding in der Zeit
Kritik von Rüdiger Suchsland auf artechock film
Kritik von Peter Körte in der FAZ
Kritik von Fritz Göttler in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Mathias Greffrath im Tagesspiegel
Kritik von Alan Posener in der Welt
Kritik von Oliver Heilwagen auf der Webseite Kunst und Film 
Kritik von Jenni Zylka in der taz
Kritik von Adreas Köhnemann auf Kino-Zeit.de
  
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Kurzkritik Filmdienst
Im Pariser Exil lernt der 26-jährige Karl Marx im Jahr 1844 den Fabrikantensohn Friedrich Engels kennen. Ihre anfangs gegenseitige Abneigung wandelt sich in eine lebenslange Freundschaft. Fortan schreiben sie gemeinsam, doch Zensur, Polizeirazzien, Verhaftungen, Machtkämpfe und erneutes Exil rauben ihnen zunehmend die Kräfte. Ein packender, detailfreudig und stimmig ausgestatteter biografischer Film aus dem Leben zweier vorzüglich dargestellter Männer, die die Welt veränderten.
Michael Ranze

Trailer (110Sekunden):


ausführliche Kritik Filmdienst
„Hatte Marx doch recht?“, fragte jüngst eine Wochenzeitung auf der Titelseite und schob gleich hinterher: „Gierige Manager, schreiende Ungerechtigkeit und der Aufstand der Vergessenen: Karl Marx sah alles kommen.“ Unterschwellig ist die Frage also mit „Ja!“ beantwortet. In Zeiten, in denen auch in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft oder ein milliardenschwerer Präsident die Vereinigten Staaten wie ein Firmenimperium lenken will, bleibt die Frage akut. Auch wenn das „Kapital“ schon 150 Jahre alt ist, berufen sich viele Autoren noch immer auf Marx und greifen die Essenz seiner Schriften auf, die sich ins Heute übertragen lässt. Es mag deshalb kein Zufall sein, dass mit „Der junge Karl Marx“ ein Film über die beruflichen Anfänge des Philosophen erscheint. Regisseur Raoul Peck, der an der DFFB studierte und 1996/97 Kulturminister in Haiti war, konzentriert sich auf jene wenigen Jahre zwischen dem Beginn der Freundschaft von Marx und Friedrich Engels und ihrer gemeinsamen Abfassung des „Kommunistischen Manifests“. Man schreibt das Jahr 1844. Der 26-jährige Karl Marx, von August Diehl charismatisch verkörpert, lebt mit seiner Frau Jenny unter ärmlichen Verhältnissen im Exil in Paris. Als ihm bei einem gemeinsamen Bekannten Friedrich Engels vorgestellt wird, ist ihm dieser geschniegelte Dandy, der Sohn eines Fabrikbesitzers, auf Anhieb unsympathisch. Doch Engels weiß, wovon er spricht: Zu oft hat er erleben müssen, wie sein herrischer Vater in Manchester die Arbeiterinnen in einer Baumwollspinnerei ausbeutete und bei Aufmüpfigkeit sofort entließ. Beim Bier lernen sich die beiden ungleichen Männer – aufbrausend, spöttisch und scharfsinnig der eine, zurückhaltend, distinguiert und pragmatisch der andere – kennen und respektieren. Fortan arbeiten sie zusammen. Doch Zensur, Polizeirazzien, Verhaftungen, Machtkämpfe und erneutes Exil – Marx muss 1845 nach Brüssel übersiedeln, weil Frankreich ihn ausweist – kosten Energie. Als Antagonisten um die Macht innerhalb der Linken fungieren der Sozialist Wilhelm Weitling und der Autodidakt Pierre-Joseph Proudhon. Ein Konflikt, der auch komisch ausgetragen wird: Auf Proudhons „Philosophie des Elends“ antwortet Marx mit „Das Elend der Philosophie“. Seine Frau Jenny findet in einer witzigen Szene mit dem Titel „Kritik der kritischen Kritik“ die Überschrift zu einer Polemik, mit der sich Marx und Engels gegen die Thesen des Theologen Bruno Bauer wenden. Der jugendliche Elan des Trios scheint das Neue, das Revolutionäre ihres Denkens erst zu ermöglichen. Raoul Peck stützt sich gemeinsam mit seinem Co-Autor Pascal Bonitzer auf direkte Quellen, vor allem Briefe. Er stellt zunächst den Zwiespalt und die Widersprüche der beiden Männer heraus. So muss sich Engels als Großbürgerlicher erst Respekt unter den Arbeitern verschaffen. Später verliebt er sich sogar in eine irische Baumwollspinnerin und überbrückt so quasi die Klassen. Marx hingegen kann sich nicht ausschließlich dem Schreiben widmen, weil er auch eine Familie ernähren muss. Die Entstehung einer neuen politischen Idee geht so Hand in Hand mit der Beschreibung einer engen Freundschaft zweier Geistesgrößen, die die Welt verändert haben – eine Engführung von Privatem und Politischem, die erstaunlich gut funktioniert. Spannend und interessant ist auch das Dreieck Manchester, Paris und Brüssel, das dem Film eine Vielsprachigkeit und Internationalität verleiht. Wilhelm Weitlings langweilig klingender „Bund der Gerechten“ wird dabei schnell durch die Parole „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ ersetzt. Großes Augenmerk verwendet die Inszenierung auf die detailfreudige und stimmige Ausgestaltung der Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders die große Spinnerei in Manchester beeindruckt durch ihr akkurates Produktionsdesign und macht so die aufkommende Industrialisierung spürbar, die mit Elend und Schmutz auf den Straßen einhergeht. Auch die Kleidung ist sorgsam ausgewählt und bestimmt so die Charaktere. Der Film endet mit dem Druck des kommunistischen Manifests. Eine Schrifttafel gibt einen Ausblick auf die Revolution 1848. Marx’ großes Lebenswerk, „Das Kapital“, sollte erst noch kommen.
Michael Ranze