3 Tage in Quiberon

  Freitag, 01. Juni 2018 - 20:30 bis - 22:35

Bei der Verleihung des Deutschen Filmpreis 2018 2018 erhielt "3 Tage in Quiberon" sieben Auszeichnungen bzw. Lolas (Bester Film, Regie, Hauptdarstellerin – Marie Bäumer, Nebendarstellerin – Birgit Minichmayr, Nebendarsteller – Robert Gwisdek, Kamera/Bildgestaltung und Filmmusik).

Eintritt: 5,00 €

Deutschland/Österreich/Frankreich 2017
Kinostart: 12. April 2018
116 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie/Drehbuch: Emily Atef
Kamera: Thomas W. Kiennast
Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas
Schnitt: Hansjörg Weissbrich 

Darsteller:
Marie Bäumer (Romy Schneider) · Birgit Minichmayr (Hilde Fritsch) · Charly Hübner (Robert Lebeck) · Robert Gwisdek (Michael Jürgs) · Denis Lavant (Fischer-Poet) · Yann Grouhel (Rezeptionist) · Christopher Buchholz (Dr. Frelin) · Vicky Krieps (Zimmermädchen) · Vincent Furic (Dr. Moriette) · Loïc Baylacq (Lokalbesitzer)
 

Filmhomepage, WIKIPEDIA, alle Daten zum Film auf Filmportal.de

Kritik von Gerhard Midding im Filmmagazin EPD
Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de
Kritik von Katja Nicodemus in der Zeit
Kritik von Peter Luley im Spiegel
Kritik von Peter von Becker im Tagesspiegel
Kritik von Michael Meyns in der taz
Kritik von Philipp Stadelmaier in der Süddeutschen Zeitung - plus Videokritik
Kritik von Barbara Möller in der Welt
Kritik von Dunja Bialas auf artechock film
Kritik von Beatrice Behn auf Kino-Zeit.de
Kritik von Eric Mandel auf Kunst und Film 
Kritik von Karl Gedlicka im Wiener Standard
Kritik von Nina Jerzy in der Neuen Züricher Zeitung
  
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Kurzkritik Filmdienst
Im März 1981 befindet sich die 43-jährige Schauspielerin Romy Schneider zu einer Entziehungskur in Quiberon in der Bretagne. Als ein deutscher Journalist und ein Fotograf sie zu einem Interview drängen, lässt sie sich zögerlich darauf ein, doch zeigt sich bald, dass die Pressevertreter ihre innere Zerrissenheit zwischen Depressionen und dem Drang nach öffentlicher Aufmerksamkeit für ihre Zwecke ausnützen wollen. Auf eine authentische Begebenheit zurückgehende Filmbiografie, die dank einer hingebungsvoll in ihrer Rolle aufgehenden Hauptdarstellerin eine intime Nähe zu ihrer Protagonistin aufbaut. Dabei belässt es der stilvolle Schwarz-weiß-Film allerdings bei der Deutung von Romy Schneider als Opfer entfesselter Medien, statt ihren Status als Frau mit unlösbaren Widersprüchen auszuloten.
Alexandra Wach

Trailer (120 Sekunden):


Videofilmkritik von Andreas Kilb (FAZ) (227 Sekunden):

ausführliche Kritik Filmdienst
Selten herrscht beim Deutschen Filmpreis eine derartige Einigkeit. Der biografische Film über das Lebensende von Romy Schneider geht gleich mit zehn Nominierungen ins Rennen, mehr als jeder andere Film in diesem Jahr. Man hat beinahe den Eindruck, dass die aus dem Adenauer-Deutschland geflüchtete Sissi-Darstellerin posthum nun endlich mit der ihr damals verweigerten Anerkennung überschüttet werden soll, für den anderen, französischen Teil ihres Lebenswerks. Der umgibt „3 Tage in Quiberon“ wie ein zarter, wärmender Schleier. Und doch ist die Ernte an filmischen Meisterwerken längst eingefahren. Die nicht abreißenden privaten Tragödien sind es noch nicht.

Romy Schneider, mit großem Willen zur Selbstaufgabe intensiv von Marie Bäumer verkörpert, lebte nach dieser auf eine authentische Begegnung im März 1981 zurückgehenden Momentaufnahme nur noch ein Jahr. Zwischen zwei Dreharbeiten hält sie sich zu einer Entziehungskur in der Bretagne auf. Doch statt einen Gang zurückzuschalten, kann sie es nicht lassen, Interviews zu geben, sich zu zeigen und den indiskreten Fragen von Fremden zu stellen. Eine Freundin aus Kindertagen versucht sie zwar vor sich selbst und den anderen zu schützen. Nur wie schützt man jemand, der sich wieder selbst ein Bein stellt?

Nicht nur der „Stern“-Reporter Michael Jürgs bedrängt sie. Auch der Starfotograf Robert Lebeck wittert eine Chance, Aufnahmen zu schießen, die sich ins kollektive Gedächtnis eingraben. Sie fliegen ihm zu in der ganzen Bandbreite der inneren Zerrissenheit, in der Romy Schneider damals gefangen war: die überschäumende Freude, der selbstbewusste Flirt mit der Kamera und das zermarterte Gesicht ohne Maske, verloren in den Untiefen einer Depression, die an ihrem Selbstwertgefühl zerrte. Man kennt diese unglaublich wuchtigen Schwarz-weiß-Bilder und stört sich doch nicht daran, dass Emily Atef sich an ihnen vergreift, unter Verzicht auf Farbe, mit Sinn für dokumentarische Distanz, dass sie sie nachstellt am steinigen Strand, im Bistro, in Hafenkneipe und Hotelzimmer, dort, wo die Augen der Schneider vor Sorgen, Alkohol und Tabletten so aufgedunsen sind, dass man sich eigentlich aus Respekt vor dieser zur Schau gestellten Intimität abwenden möchte.

Vielleicht würde man anders reagieren, wenn das Ensemble aus Birgit Minichmayr, Robert Gwisdek und Charly Hübner nicht immer wieder in den Modus eines Fernsehspiels verfallen würde. An Marie Bäumer liegt es jedenfalls nicht, dass man dieses Protokoll der Selbstzerstörung zur Kenntnis nimmt, statt es empathisch zu durchleiden. Selbst die Übergriffigkeit der selbstgerechten Pressevertreter, die in den Wunden ihres verletzlichen Gegenübers bohren, zündet in seiner Vorhersehbarkeit nicht wirklich.

Viel lieber würde man erfahren, warum die 43-jährige Romy Schneider, die zu diesem Zeitpunkt hoffnungslos pleite ist, immer noch auf diese fragwürdige Aufmerksamkeit angewiesen war. Glaubte sie dank des Interviews in Deutschland wieder ins Geschäft zu kommen? Die Engagements in Frankreich waren ihr trotz Ausfällen am Set immer noch sicher. Was sagt es über ihr Verhältnis zu dem Land aus, das sie nicht müde wurde, hinter sich lassen zu wollen? Oder suchte sie einfach die Auseinandersetzung, den Gegenangriff, der sie für einen kurzen Augenblick alles Leid vergessen ließ?

Zu viel Psychologie aber ist nicht Atefs Sache. Romy Schneider bleibt für die 45-jährige „Nachgeborene“ nicht die Frau mit den unlösbaren Widersprüchen, sondern das ewige Opfer der entfesselten Medien, die sie selbst noch zu Tode fotografieren, als sie schon wehrlos am Boden liegt.
Alexandra Wach