Wie eine gute Fee 

Fabian hat Gallicos Roman zusammen mit Carroll Cartwright, Keith Thompson und Olivia Hetreed zum Drehbuch verarbeitet. Was die Geschichte um Ada Harris – vielleicht heute noch mehr, als bei Erscheinen des Romans 1958 – außergewöhnlich und ein bisschen auch märchenhaft erscheinen lässt, ist die Tatsache, dass Ada Harris nie nach Höherem strebt und auch nicht aus ihrem Leben auszubrechen versucht, obwohl sich dazu Gelegenheit bietet. Sie sucht keine neue Liebe, will nicht reich werden und auch nicht Mitglied der gehobenen Gesellschaft. Sie macht bloß einen Ausflug in diese für sie andere Welt und lernt dabei einige Menschen kennen. Sie scheut sich nicht, dort Dinge zu bemängeln, die in ihren Augen Missstände sind: lausige Arbeitsbedingungen, Misswirtschaft, mutwillige Entlassungen, die Arroganz gegenüber Mittel- und Unterschicht, die man eventuell auch als Käuferschaft gewinnen könnte. 

Vor allem in dem in Paris spielenden Teil, in dem Ada Harris mit ihrer pragmatischen Hartnäckigkeit auch einiges bewirkt, die Näherinnen zum Streiken bringt, Dior überzeugt, dass Modernisierung sein Geschäft retten könnte, und Dior-Supermodel Natascha darin bestärkt, ihr Studium weiterzuführen, erscheint sie bisweilen wie eine gute Fee.

„Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ ist mit viel Liebe für Details und großem Flair für die 1950er-Jahre inszeniert. Die Ausstattung ist überaus sorgfältig. Farbgebung, Beleuchtung und ein geruhsames Erzähltempo verpassen dem Film einen fast schon gemütlichen 1950er-Jahre-Touch. Die von Kostümdesignerin Jenny Beavan in Zusammenarbeit mit dem Dior-Archiv in Paris detailgetreu rekonstruierten Dior-Kostüme dürften nicht nur Mode-Affine begeistern.

Hinreißend und mit tiefer Menschlichkeit 

„Mrs. Harris und ein Kleid von Dior“ ist unter anderem mit Lambert Wilson als Marquis und Alba Baptista in der Rolle von Natascha weitgehend gut besetzt. Einzig Isabelle Huppert scheint mit der Rolle der Dior-Direktorin nicht wirklich warm zu werden. Obwohl das Drehbuch auch dieser Figur ein berührendes menschliches Schicksal zuschreibt, wirkt Huppert in jedem Auftritt seltsam unterkühlt. Doch das ist Mäkeln auf hohem Niveau. Denn Lesley Manville spielt Ada Harris derart hinreißend und liebenswert und mit solch tiefer Menschlichkeit, dass anderes daneben schlicht nicht wichtig erscheint.