Green Book (Der umstrittene Oscar Gewinner: Bester Film, Bester Nebendarsteller, Bestes Originaldrehbuch)

Green Book (Der umstrittene Oscar Gewinner: Bester Film, Bester Nebendarsteller, Bestes Originaldrehbuch)

  Freitag, 15. März 2019 - 20:30 bis - 22:50

Ort: Kino achteinhalb

Kategorien: Oscar, Komoedie, US-amerikanischer Film, Tragikomoedie, Film, Archiv, Filmpreis, Spielfilm, Roadmovie, Feel-Good-Movie, Biopic, Buddy-Movie, Golden Globe, tmdU, Fox, 2019, Flat

Treffer: 4925


Peter Farrellys leichtfüssig inszenierte Tragikomödie lebt vom Gegensatz der Protagonisten und von ihren zwei formidablen, für den Oscar nominierten Darstellern: Der überaus ungehobelte italoamerikanische und Gelegenheitsmafiosi Türsteher Tony Lip (Viggo Mortensen) wird in den 1960er Jahren vom hochkultivierten schwarzen Konzertpianisten Don Shirley (Mahershala Ali) als Assistent angeheuert. Toni chauffiert Don auf dessen Tournee durch die Südstaaten, mit dem «Green Book» als Kompass, einem Führer für Afroamerikaner im rassistischen Süden. Die gemeinsame Reise im metallicblauen Strassenkreuzer führt das ungleiche Duo auch auf einen Weg zueinander. So wird das ernsthafte Grundthema zur Basis eines brillant unterhaltenden Feel-Good-Movies, das das Publikum des Zurich Film Festival schon im letzten Herbst als Eröffnungsfilm begeisterte. (von Urs Bühler für die Neue Züricher Zeitung) –––––––––––––––– Zum Titel des Films: The Negro Motorist's Green Book war ein Reiseführer mit einem speziellen Zielpublikum: Autofahrer "of color" erfuhren hier, wo sie in Amerika ein Quartier zum Absteigen oder ein Abendessen nach einem Tag auf der Straße finden konnten. Einen Bedarf für diese Hinweise gab es natürlich nur deswegen, weil Rassentrennung damals gang und gäbe war: Viele Etablissements waren exklusiv für Weiße. In anderen konnten die Schwarzen unter sich sein. Ihnen versprach das grüne Buch "vacation without aggravation": Urlaub ohne Erschwernisse.

Eintritt: 5,00 €

USA 2018
Kinostart: 31. Januar 2019
131 Minuten
FSK: ab 6; f

Regie/Buch: Peter Farrelly (Verrückt nach Mary)
Kamera: Sean Porter 
Musik: Kris Bowers
Schnitt: Patrick J. Don Vito
Scope (2.00:1)

Darsteller:
Viggo Mortensen (Frank "Tony Lip" Vallelonga) · Mahershala Ali ("Doc" Don Shirley) · Linda Cardellini (Dolores Vallelonga) · Dimiter D. Marinov (Oleg) · Mike Hatton (George) · Iqbal Theba (Amit) · Sebastian Maniscalco (Johnny Venere) · P.J. Byrne (Schallplatten-Produzent) · Joe Cortese (Gio Loscudo) · Tom Virtue (Morgan Anderson)

IMDB: 53 Filmpreise plus 88 Nominierungen
Wikipedia: Auszeichnungen (Auszug) 

WIKIPEDIA

positive Kritiken:
Kritik von Anke Sterneborg im Filmmagazin EPD (4 von 5 Sternen)
Kritik von
Katharina Zeckau im Filmdienst (4 von 5 Sternen)
Kritik von Dieter Oßwald auf Programmkino.de
Kritik von Ingrid Beerbaum auf Kunst und Film
Kritik von Fritz Göttler in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Knut Elstermann auf mdr
Kritik von Julia Haungs auf SWR2
Kritik von Michael Meyns in der taz
Kritik von Axel Timo Purr auf artechock
Kritik von Vanessa Nowak auf artechock
Kritik von Magdalena Heffner auf artechock
Kritik von Carina Müller auf artechock
Kritik von Sabine Sürig auf artechock
Kritik von Gunther Baumann auf Filmclicks.at


Kritik von Bert Rebhandl im Wiener Standard

Kritik von Hannah Lühmann in der Welt
Kritik von Andreas Borcholte im Spiegel


negative Kritiken:
Kritik von Verena Lueken in der FAZ
Kritik von Drehli Robnik in der Filmgazette
Kritik von Esther Buss im Tagesspiegel
Kritik von Carolin Würfel in der Zeit
Kritik von Melanie Hoffmann auf Kino-Zeit.de
Kritik von Simon Fendt auf artechock 


Kritik von Patrick Wellinski an der Oscarverleihung für "Green Book" auf Deutschlandfunkkultur
Kritik von Andreas Borcholte an der Oscarverleihung für "Green Book im Spiegel

Kritik von Nico Hoppe an der Oscarverleihung für "Green Book" in der Neuen Züricher Zeitung
Gegenrede hierzu von Urs Bühler in der Neuen Züricher Zeitung

Interview von Urs Bühler mit Viggo Mortensen in der Neuen Züricher Zeitung
Interview von Markus Tschiedert mit Viggo Mortensen in der Berliner Zeitung
Interview mit Mahershala Ali im Spiegel
Interview von Patrick Heidmann mit Mahershala Ali für epd-Film
Interview von Gunther Baumann mit Peter Farrelly auf Filmclicks.at

Satire-Trailer: Braucht ein erfolgreicher Schwarzer einen weißen Beschützer?

Trailer (172 Sekunden):



Videofilmkritik von Verena Lueken für die FAZ (221 Sekunden):

ausführliche Kritik Filmdienst  
Im Jahr 1962 chauffiert ein italienischstämmiger Prolet einen gebildeten schwarzen Pianisten durch die US-Südstaaten.
Eine Feel-Good-Tragikomödie über Rassismus und Diskriminierung, die von zwei herausragenden Darstellern und einem warmherzigen Humor getragen wird.

Einmal wirft Don Shirley mit großer Geste einen abgenagten Hühnerknochen aus dem Fenster des fahrenden Autos. Er macht dies mit einer so spürbaren Freiheit und Freude, dass es wahrlich herzerweichend ist; zum ersten Mal in seinem Leben hat der kultivierte, stets beherrschte Ausnahmepianist so etwas Bodenständiges, in seinen Augen völlig Ungehobeltes, getan. Es ist, als öffne sich ihm eine neue Welt – oder zumindest ein neuer Blick auf die Welt.

Die Tür zu dieser Welt hat sein Fahrer Tony Lip aufgestoßen. Der italienischstämmige New Yorker ist das pure Gegenteil des belesenen, eleganten, aber auch einsamen und ziemlich verkrampften Shirley. Tony ist ungebildet, hat keine Manieren, spricht Slang und isst unfassbare Mengen fettigen Zeugs. Aus dem krassen Gegensatz zwischen diesen von Mahershala Ali und Viggo Mortensen traumhaft gespielten Charakteren schlägt der Film einen Großteil seiner wunderbaren Komik.

Der Mann fürs Grobe braucht einen Job

Eigentlich arbeitet Tony als Türsteher eines Nachtclubs, wo er als Mann fürs Grobe bekannt ist. Doch da das Etablissement vorübergehend schließt, braucht der mehrfache Familienvater einen Job. Und Shirley braucht jemanden, der ihn während seiner Konzerttournee durch die US-amerikanischen Südstaaten kutschiert – und beschützt. Denn Shirley ist schwarz, und man schreibt das Jahr 1962.

Tony, Shirley und die Freundschaft, die die beiden nach langem Anlauf bis zu ihrem Lebensende verband, hat es tatsächlich gegeben. Ebenso wie das „Negro Motorist Green Book“, einen Reiseführer für schwarze Reisende, auf den sich der Titel bezieht. Darin waren die Restaurants und Hotels im Süden des Landes aufgelistet, die auch schwarze Gäste bedienten. An ihm müssen sich der weiße Chauffeur und der schwarze Klavierspieler auf ihrer mehrwöchigen Reise durch Kentucky, Tennessee oder Mississippi orientieren.

Vor rassistischer Ausgrenzung bis hin zu gewalttätigen Übergriffen schützt sie aber auch das „Green Book“ nicht. Ganz im Gegenteil. Gerade inmitten seiner „Gastgeber“ erfährt Shirley die demütigendsten Diskriminierungen. Er darf seine grandiose Klavierkunst als Pianist zwar vor seinem scheinbar liberalen und kultivierten weißen Publikum präsentieren, das ihn auch eifrig beklatscht. Doch jenseits der Bühne ist es völlig ausgeschlossen, dass Shirley in der Konzertpause dieselbe Toilette wie die Weißen benutzt. Deshalb muss ihn Tony zum 20 Minuten entfernten Motel fahren. Aller Schmach zum Trotz muss Shirley anschließend auch wieder zurück und freundlich lächelnd den zweiten Teil des Auftritts absolvieren. Ein anderer Musiker erklärt die für Tony völlig unverständliche Selbstbeherrschung einmal so: „Es gehört Mut dazu, die Herzen der Menschen zu ändern.“

Eine Entwicklungsgeschichte in beide Richtungen

Trotzdem wird der „Doc“, wie Tony den studierten Shirley nennt, in einer ähnlichen Situation einen Befreiungsschlag wagen und sich verweigern. Was nicht zuletzt dem Einfluss seines Chauffeurs geschuldet ist. „Green Book“ ist allerdings eine Entwicklungsgeschichte, die in beide Richtungen zielt. Denn auch oder gerade Tony wird „erzogen“. Er lernt nicht nur, die Welt mit den Augen eines Diskriminierten zu sehen. Der Pianist verfeinert auch seine Manieren und den sprachlichen Ausdruck des New Yorker Rowdys, wunderbar veranschaulicht, wenn Shirley romantische Briefe für Tonys Frau Dolores formuliert. Doch der Film überstrapaziert die Veränderungen auch nicht. Das witzig-kluge Drehbuch wahrt die Glaubwürdigkeit der liebevoll gezeichneten Charaktere, die bei allen Schwächen nie denunziert werden.

„Green Book“ ist als Feel-Good-Movie angelegt, das sein knallhartes Sujet in jedem Moment ernst nimmt. Dass der recht konventionell inszenierte Film die Themen Rassismus und Diskriminierung in die herzerwärmende Story einer Freundschaft zwischen zwei gegensätzlichen Männern packt, ist ein kluger Schachzug seiner Macher, zu denen neben Peter Farrelly auch Nick Vallelonga, der Sohn des echten Tony Lip, gehört. Mit einer vergnüglichen Gestalt lassen sich viele Menschen erreichen, was „Green Book“ bei der US-amerikanischen Bevölkerung schon mal gelungen ist: Die Tragikomödie mutierte zum Kritiker- und Juryliebling, wofür zahlreiche Nominierungen und Preise stehen, darunter drei „Golden Globes“, unter anderem auch als „Bester Film“ in der Kategorie Komödie/Musical.

Eine abgrundtiefe Verachtung

Dennoch verschweigt der von Peter Farrelly inszenierte Film nicht die bitteren Seiten des Themas: Die abgrundtiefe Verachtung, die die weiße Mehrheitsgesellschaft insbesondere dem schwarzen Körper entgegenbringt, ist schmerzhaft mit Händen zu greifen. Anspielungen aufs aktuelle Amerika verkneift sich Farrelly, was kein Verlust ist – der Stoff ist so universal und allgemeingültig, dass man ihn kaum unter „historisch“ oder „erledigt“ abhaken kann.

Eine Kritik von Katharina Zeckau