Manifesto

Manifesto

  Donnerstag, 26. April 2018 - 20:00 bis - 21:35

Ort: Kino achteinhalb

http://dcmworld.com/portfolio/manifesto

Kategorien: 1SE, Episodenfilm, Kooperation, deutscher Film, Film, Archiv, Filmpreis, OmdU, Filmkunst, Deutscher Filmpreis - Lola, DCM, 2018, Flat, experimenteller Spielfilm, BBK Celle, Kunstverein Celle

Treffer: 2918


"Manifesto" ist ein Kunstprojekt des deutschen Film- und Videokünstlers Julian Rosefeldt. Es vereint Zitate aus ca. 60 Künstlermanifesten unterschiedlichster Art aus unterschiedlichen Zeitabschnitten des 20. Jahrhunderts mit Gegenwartsszenarien. Die einzelnen Manifeste, wie z. B. Fluxus, Dada oder Dogma, werden von 13 verschiedenen Figuren vorgestellt, die alle von der australischen Ausnahmeschauspielerin Schauspielerin Cate Blanchett gespielt werden. Cate Blanchett verzichtete hierfür auf eine Gage.
Die Videonstallation (auf der die verschiedenen Beiträge auf 13 Screens simultan liefen) gastierte seit 2015 international in Museen und auf Kunstausstellungen.

In Deutschland lief die Ausstellung in München, Stuttgart, Berlin und im Sprengel Museum Hannover.

Im November 2017 hatte die lineare Fassung Kinostart.

Am Freitag, den 27. April, wird der Deutsche Filmpreis vergeben. Manifesto ist dort nominiert in den Kategorien „Beste Kamera/Bildgestaltung“, „Bestes Szenenbild“, „Bestes Kostümbild“ und „Bestes Maskenbild“.

 

Eintritt: 5 Euro

Deutschland/Australien 2015
Kinostart: 23. November 2017
98 Minuten
FSK: ab 0; f

Regie/Drehbuch/Produktion: Julian Rosefeldt
Kamera: Christoph Krauss
Schnitt: Bobby Good
Musik: Nils Frahm, Ben Lukas Boysen

Darsteller: Cate Blanchett (in 13 Rollen)

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst
Die Kinoversion einer filmischen Installation von Julian Rosefeldt widmet sich der Gattung des Manifests als leidenschaftlich-radikale, apodiktische, irrwitzige und größenwahnsinnige Proklamation, die ebenso nach Weltverbesserung wie nach Unsinn schreit. In 13 Rollen stellt die Schauspielerin Cate Blanchett Manifeste aus Kunst, Theater, Architektur und Politik dar, wobei die mit großem Aufwand realisierte Hommage ebenfalls die Schönheit des Wortes feiert. Ein mitreißendes, einfallreiches Experiment, auch wenn es in seinem Ehrgeiz einer Leistungsschau gelegentlich den Zugang zu den Texten erschwert.
Sehenswert ab 14
Esther Buss

Filmwebseite, WIKIPEDIA, alle Daten zum Film auf Filmportal.de

Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de
Kritik von Alexandra Seitz ind EPD-Film (4 von 5 Sternen)
Kritik von Viola Nordsieck auf Kunst & Film
Kritik von Christoph Becker auf artechock film
Kritik von Katrin Doerksen auf Kino-Zeit.de
Kritik von Andreas Kilb in der FAZ
Kritik von Caspar Shaller in der Zeit
Kritik von Peter Praschl  in der Welt
Kritik von Rainer Gansera in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Carola Padtberg im Spiegel
Kritik von Andreas Busche im Tagesspiegel
Kritik von Claudius Prösser in der taz
Kritik von Bert Rebhandl im Wiener Standard
Kritik von Björn Hayer in der Neuen Züricher Zeitung

 

Trailer (133 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
Sonntagmittag, eine archetypische konservative amerikanische Familie. Die Mutter, Rock, Bluse, Strickjacke, langes Haar, strenge Brille, serviert den Truthahn, ruft Mann und Kinder zu Tisch. Als die Familie mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen beisammensitzt, beginnt sie im andächtigen Tonfall zu beten: „Ich bin für eine Kunst, die politisch-erotisch-mystisch ist, die etwas anderes tut, als im Museum auf ihrem Arsch zu sitzen... Ich bin für die weiße Kunst der Kühlschränke und ihres athletischen Öffnens und Schließens... Ich bin für die Kunst von Teddybären und Schießeisen, umgedrehten Regenschirmen, brennenden Bäumen, Knallkörperenden, Hühnerknochen und Schachteln mit schlafenden Männern drin...“. Wie alle Texte in Julian Rosefeldts „Manifesto“ gehört auch das Gebet der „konservativen Mutter“ (so die Nennung im Abspann) zur Gattung des Manifests. Der Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg hat es 1961 geschrieben, als Reaktion auf die Dominanz des Abstrakten Expressionismus. Im betenden Singsang der Schauspielerin Cate Blanchett bekommt Oldenburgs Text jedoch einen anderen Klang. Im kunstfernen Setting verspielt sich die Vehemenz und Apodiktik der Proklamation; die Reibung verleiht dem Text eine geradezu körperliche Form. Denn wenig liegt dem sonntäglichen Tischgebet wohl ferner als ein leidenschaftliches Bekenntnis zu einer Kunst von Teddybären. Oder zu einer Schinkenkunst, Schweinekunst, Tomaten- und Kekskunst. „Manifesto“ ist die Kinoversion einer Filminstallation aus dem Jahr 2015, die der gebürtige Münchner Künstler Rosefeldt mit großem Erfolg in verschiedenen Institutionen gezeigt hat. Sie besteht aus zwölf miteinander in Beziehung stehenden Einzelfilmen, in denen Cate Blanchett in 13 verschiedenen Rollen (Obdachloser, Kranarbeiterin, Brokerin, Choreographin, Lehrerin etc.) beim Vortrag von Manifesten aus der Kunst, dem Theater, der Architektur und der Politik zu sehen ist. Dass diese ausschließlich von einer Frau verkörpert und performt werden, ist dabei natürlich auch eine Setzung gegen den männlichen Künstlermythos und seine Monomanie. Die collagierten Texte, bei denen mitunter Zitate aus verschiedenen Zeitabschnitten zusammenfließen, werden in Gegenwartsszenarien eingebettet, die den Sprechakt aus seinem Kontext lösen: Mal wird ein Manifest dialogisch vorgetragen, mal innerlich, mal wird es wütend herausgeschleudert, mal mit sanftem pädagogischen Duktus an eine Schulklasse gerichtet (etwa das „Dogma“-Manifest oder auch Werner Herzogs „Minnesota Declaration“). Rosefeldt versteht sein Werk auch deshalb als eine „Hommage an die Schönheit von Künstlermanifesten – ein Manifest der Manifeste“, weil es sich dabei um eine so gut wie ausgestorbene Gattung handelt. Dabei wirken die Texte in Rosefeldts Verarbeitung keineswegs museal oder verstaubt. „Manifesto“ ist ein opulenter, herausgeputzter Film mit hohen Produktions- und Schauwerten; ein erheblicher Anteil am Gestaltungsaufwand liegt in Cate Blanchetts spektakulären Verwandlungen, die noch weit über ihre Metamorphosen in Todd Haynes’ Bob-Dylan-Film „I’m Not There“ hinausgehen. Was Blanchett hier an Stimmmodulation, Tonalität, Sprachduktus und Manierismen performt, grenzt fast schon an Akrobatik. Dass diese Leistungsschau und die bewusste Wahl für überzeichnete Figuren mitunter den Blick auf die Texte verstellen, kann dabei gelegentlich aber auch nerven. In den besten Momenten des Films bekommt das Sprachmaterial eine Eigendynamik. Dann lässt man sich nicht nur vom Überschuss an Deklarationswut, Radikalität, Weltverbesserungseifer und anarchischem Drive mitreißen, sondern von den Worten selbst. Und vom blauen Dunst der Auspuffrohre, von flammenden und schleichenden Linien, von Gedankenpumpen und Pavillons inbrünstiger Freude.
Esther Buss