Parasite

  Freitag, 29. November 2019 - 20:30 bis - 22:50
Familie Kim ist ganz unten angekommen: Sie hausen in einem Keller und sind sich für keinen Aushilfsjob zu schade. Erst als der Jüngste eine Anstellung als Nachhilfelehrer in der Villa der Familie Park antritt, steigen die Kims ein ins Karussell der Klassenkämpfe. Mit findigen Tricksereien gelingt es ihnen, die bisherigen Bediensteten der Familie Park nach und nach loszuwerden. Doch dann löst ein unerwarteter Zwischenfall eine Kette von Ereignissen aus.
Gewinner der Goldenen Palme von Cannes 2019.

20. Januar 2020: Wichtiger Schauspielpreis "Parasite" schreibt Geschichte
Die US-Schauspielgewerkschaft hat abgestimmt – und zum ersten Mal in ihrer Geschichte einem nicht englischsprachigen Film ihren Hauptpreis verliehen.
 
Filmkritik von Pfarrer Christian Engels, Leiter des Filmkulturellen Zentrums im Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (3 Minuten)

Eintritt: 5,00 €

Originaltitel: GISAENGCHUNG
Südkorea 2019
Kinostart: 17. Oktober 2019
132 Minuten
FSK: ab 16; f

Regie/Drehbuch: Bong Joon-ho
Kamera: Hong Kyung-pyo
Musik: Jaeil Jung 
Schnitt: Yang Jin-mo

FBW: Prädikat besonders wertvoll

Darsteller: 
Song Kang-ho (Ki-taek) · Cho Yeo-Jeong (Yeon-kyo) · Park So-dam (Ki-jung) · Chang Hyae Jin (Chung-sook) · Jung Hyeon-jun (Da-song) · Lee Sun-kyun (Mr. Park) · Choi Woo-sik (Ki-woo) · Lee Jeong-eun (Moon-gwang) · Ziso Jung (Da-hye)


FilmhomepageWIKIPEDIA   
Pressespiegel auf IMDB 
Pressespiegel auf Filmstarts.de

Die Filmkritikerinnen und Filmkritiker des Fachmagazins Filmdienst wählten die Gesellschaftssatire "Parasite" zum besten Film des Jahres 2019.
(Unser "haushoher" Favorit "Porträt einer jungen Frau in Flammen" landete leider "nur" auf Platz zwei.)

Auszeichnungen:
161 Filmpreise plus weitere 198 Nominierungen
Vollständige Listung auf imdb.com
Eine Auswahl der erhaltenen Auszeichnungen auf Wikipedia  

Kritiken:
Kritik von Rüdiger Suchsland im Filmdienst (5 von 5 Sternen)

Kritik von Rüdiger Suchsland auf artechock film
Kritik von Christopher Diekhaus auf Spielfilm.de (5 von 5 Sternen)
Kritik von Peter Beddies auf Filmclick.at (4,5 von 5 Sternen)
Kritik von Holger Heiland auf Kunst und Film (5 von 6 Sternen)
Kritik von Gerhard Midding im Filmmagazin EPD (4 von 5 Sternen)
Kritik von Christoph Petersen auf Filmstarts.de (4 von 5 Sternen)
Kritik von Oliver Armknecht auf Filmrezensionen.de (8 von 10 Sternen)
Kritik von Michael Meyns auf Programmkino.de
Kritik von Verena Lueken in der FAZ
Kritik von Bert Rebhandl in der FAZ
Kritik von Tobias Kniebe in der Süddeutschen Zeitung
Kritik von Hans-Georg Rodek in der Welt
Kritik von Hannah Pilarczyk im Spiegel
Kritik von Dunja Bialas im Tagesspiegel
Festivalbericht von Andreas Busche im Tagesspiegel
Kritik von Tim Caspar Boehme in der taz
Kritik von Sabine Horst in der Zeit
Festivalbericht Cannes von Wenke Husmann in der Zeit
Kritik von Nikolaus Perneczky auf Perlentaucher.de
Kritik von Philipp Schwarz auf critic.de sowie auf Filmgazette.de
Kritik von Beatrice Behn auf Kino-Zeit.de 
Kritik von Drehli Robnik auf Filmgazette.de
Kritik von Oliver Kube auf Wessels Filmkritik
Kritik von Till Brockmann auf Filmbuelletin.ch
Kritik von Tobias Sedlmaier in der Neuen Züricher Zeitung
Kritik von Denise Bucher in der Neuen Züricher am Sonntag
Kritik von Dominik Kamalzadeh im Wiener Standard
unzählig weitere Kritiken verlinkt auf imdb.com

Interview von Hoo Nam Seelmann mit Regisseur Bong Joon-ho in der Neuen Züricher Zeitung
Interview von Dominik Kamalzadeh mit Regisseur Bong Joon-ho im Wiener Standard
Interview von Matthias Greuling mit Regisseur Bong Joon-ho in der Wiener Zeitung
Interview von Jan Küveler mit Regisseur Bong Joon-ho in der Welt
Interview von Jatrick Wellinski mit Regisseur Bong Joon-ho auf Deutschlandfunkkultur
Interview von Moritz Holfelder mit Regisseur Bong Joon-ho auf Br24
Interview mit Regisseur Bong Joon-ho im Rahmen des Filmfest München

Porträt von Sascha Westphal über Regisseur Bong Joon-ho für das Filmmagazin EPD-Film
Porträt von Lucas Barwenczik über Regisseur Bong Joon-ho für das Filmmagazin Filmdienst

Kinotipp der Katholischen Filmkommission für den Monat Oktober 2019

Trailer (112 Sekunden):



arteshots mit Sedat Aslan und Axel Timo Purr (5 Minuten):

Filmkritik von Pfarrer Christian Engels, Leiter des Filmkulturellen Zentrums im Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (3 Minuten)


ausführliche Kritik Filmdienst
Stylische Gesellschaftsgroteske um eine arme Familie aus Seoul, die sich bei einer fast spiegelbildlichen Familie aus der Oberschicht unentbehrlich macht, bis ein sintflutartiger Regen alle Verhältnisse zum Einsturz bringt.

Der Sohn der armen Familie Kim ergaunert sich durch einen glücklichen Zufall einen Job als Privatlehrer bei einer reichen Familie. Die Parks wirken wie das Idealbild eines vierköpfigen, gut ausgebildeten, neureichen Haushalts der modernen urbanen Elite: Vater Park ist Geschäftsführer in einer IT-Firma, eine Art Workaholic, seine Frau ist gutaussehend und ausschließlich mit dem Wohlergehen der Kinder, mit Diäten und Modefragen beschäftigt. Die Kinder sind ein pubertierendes Mädchen im High-School-Alter und ein Sohn auf der Grundschule.

Wie ein trauriger Spiegel dieser Verhältnisse wirkt dagegen die ebenfalls vierköpfige Familie Kim. Eine arme, schlecht ernährte und wenig gepflegte und – das wird im Film mehrfach thematisiert – stinkende Familie aus der koreanischen Unterklasse.


Wer ist hier der Schmarotzer?

Mit der unverhofften Anstellung des Sohnes beginnt eine Hochstapler-Geschichte: Familie Kim schleicht sich in die Oberklassen-Familie hinein, manipuliert sie durch Tricks und infiltriert sie systematisch. Insofern ist „Parasite“ ein klassischer „Home Invasion“-Film, bei dem eine Familie von Fremden in ihrem Haus bedrängt wird. Die armen Kims sind dabei die Eindringlinge, die „Parasiten“ am Leib der bürgerlichen Familie.

Doch der koreanische Regisseur Bong Joon-ho wäre nicht ein virtuoser Meister des Doppelsinnigen und Mehrdeutigen, wenn er dieses Thema nicht auch gegen sich selbst wenden würde. Denn schnell ist klar, dass auch die Vertreter der reichen Oberklasse aus der Perspektive des Films auf ihre Art Parasiten am Leib der Gesellschaft sind, Schmarotzer, die auf Kosten aller anderen leben.

Die doppelte Dialektik Arm gegen Reich, Oben gegen Unten ist dabei aber weit weniger eindeutig, als es zunächst den Anschein hat. Denn bereits die Parasiten-Metapher hat es als solche in sich: Der französische Kulturphilosoph Michel Serres schrieb ein ganzes Buch („Le Parasite“, 1980), um zu zeigen, dass allein „das Parasitäre“, die Vermischungen und das gegenseitige Verzehren das Überleben sichert.

Doch die Vorstellung, dass das mitmenschliche Urvertrauen grundlegend erschüttert wird, wenn Menschen ins Innerste, Intimste – das Heim, die Familie – eindringen, die verborgenen Schwächen durchschauen und diese gnadenlos ausnutzen, spielt nicht nur mit den Ängsten und Besorgnissen des Bürgertums. „Parasite“ zeigt, was mit Menschen geschieht, wenn sie nur noch auf sich achten und darauf, ihre Komfortzone zu verteidigen. Die Sicherheitswabe der Wohlhabenden wird durch die arme Familie, die nichts hat und darum alles wagen kann, von Anfang an in Frage gestellt und schließlich zerstört.

Freundlich ist nur, wer es sich leisten kann

„Parasite“ ist eine Komödie, die durchgängig „over the top“ inszeniert ist. Der Film mokiert sich über US-Hörigkeit und US-Faszination der koreanischen Neureichen, die selbst noch das Spielzeug ihrer Kinder in den USA bestellen. Ein Running gag sind die US-amerikanischen Namen, die sich die Koreaner geben. Der Film mokiert sich außerdem über den Hype, der um Diplome gemacht wird, um Visitenkarten und die Art, wie sie gedruckt sind und sich anfühlen. Eine moderne Form von Magie: Dass in der Qualität einer solchen Visitenkarte etwas zum Ausdruck kommt, das mit dem Mensch zu tun hat, den die Karte ausweist.

Die Reichen sind hier durchweg freundlich; aber sie sind es nur, weil sie es sich leisten können. In den guten Manieren steckt auch eine Unverbindlichkeit und darin wiederum eine Abwehrhaltung: „Wäre ich reich, dann wäre ich auch freundlich“, sagt der Sohn der armen Familie einmal.

Gleichzeitig ist „Parasite“ eine in komödiantische Form gekleidete Farce. Bong Joon-ho meint das, was er zeigt, durchaus universal (darauf deuten schon die koreanischen Allerweltsnamen Kim und Park hin) und als Spiegel der ganzen Gesellschaft. Die hat ihr Maß verloren. Gier und Materialismus bestimmen das Verhalten. Vieles wird in „Parasite“ zunächst wortwörtlich genommen: Die Unterklasse wohnt im unteren Teil der Stadt in einem Kellergeschoss, die Oberklasse auf dem Hügel über der Metropole Seoul in einem lichten, transparenten Haus. Auch wenn dieses – und das wird noch einen Rolle spielen – ebenfalls einen Keller hat.

Der Kollaps eines Gesellschaftsmodells

Eines Tages fällt ein heftiger Regen vom Himmel, der sich zur wahren Flut auswächst und gewaltige Wassermassen mit sich bringt. Während sich die Parks freuen, dass der Regen den Dreck aus der Luft filtert, kämpfen die Armen ums nackte Überleben. Irgendwann steht den Bewohnern der Unterstadt das Wasser regelrecht bis zum Hals.

Die Wendungen, die die Handlung nimmt, werden zunehmend abstruser. Wie in anderen Filmen von Bong Joon-ho, etwa in „Snowpiercer“ oder „Okja“, schraubt sich alles zu einem furiosen Finale hinauf. Denn auch wenn Bong Joon-ho fast immer von Familien oder Wahlverwandtschaften, also intimen Netzwerken, erzählt und dabei stets auch die koreanische Gesellschaft im Blick hat, sind seine Filme nicht zuletzt Genrefilme oder hybride Vermischungen verschiedener Genres.

Dabei geht der Film zugleich aber über die herkömmlichen Formen von Gesellschaftskritik hinaus: Es geht um eine Kritik des Westens an sich. In „Parasite“ wird das westliche Lebens-, Arbeits- und Konsummodell, das theoretisch für alle Gesellschaften auf der ganzen Welt gelten soll, in Frage gestellt. Nicht etwa nur, weil allgemeine Glücksversprechen nicht erfüllt werden, sondern weil der Westen dieses Modell selbst schon lange in Frage stellt, da der westliche Universalismus in der Praxis überaus partikular und oft genau das ist, was man ihm seit langem vorwirft: eine Maske von Eigeninteressen - parasitär.

Eine Kritik von Rüdiger Suchsland