ANNE LIEBT PHILIPP (im Rahmen des Ferienpassangebots der Stadt Celle) - GEPLANT

  Freitag, 16. Juli 1819 - 13:53 bis Freitag, 16. Juli 1819 - 15:38

Nur für Kinder mit Ferienpass oder Ferienpass-Angebot
Eintritt: 3,50 €
(50 Cent davon trägt die Stadt Celle, so dass der Eintritt über Ferienpass 3,- Euro kostet.)


Kinderfilm
Norwegen/Deutschland, 2011
Kinostart: 21. Januar 2012
86 Minuten
FSK: ab 6; f  

FBW: Prädikat besonders wertvoll

Regie: Anne Sewitsky
Drehbuch: Kamilla Krogsveen
Vorlage: Vigdis Hjorth (Roman "Tilla liebt Philipp")
Kamera: 
Musik: 
Schnitt: 

Darsteller:
Maria Annette Tanderø Berglyd (Anne), Otto Garli (Philipp Ruge), Aurora Bach Rodal (Beate), Vilde Fredriksen Verlo (Ellen), Kristin Langsrud (Tone), Peder Holene (Knut), Sigurd Saethereng (Einar), Torkil Hoeg (Ole), Adrian Holte Kristiansen (Dag), Silje Breivik (Annes Mutter), Terje Ranes (Annes Vater)

Filmwebseite, Wikipedia, Programmkino.de, EPD-Film, alle Daten zum Film auf Filmportal.de 
Pressespiegel   

Pädagogisches Material:
Kinofenster
Vision Kino
Kinderfilmwelt
Bundesjugendfilm
FBW: Prädikat besonders wertvoll

 

Kurzkritik Filmdienst:
Eine temperamentvolle, unangepasste Zehnjährige verliebt sich in einen neuen Mitschüler, wobei es ihr schwer fällt, mit den neuen Empfindungen umzugehen. Hin- und hergerissen zwischen Schwärmerei und Eifersucht handelt sie impulsiv, aber auch verletzend und verstrickt sich in manche Lüge sowie in eine Intrige. Eine ebenso temperamentvolle wie einfühlsame (Kinder-)Liebesgeschichte, die mitunter am Rand einer Katastrophe entlang schrammt, bevor am Ende alles gut wird. Vorzüglich inszeniert und gespielt, begegnet der Film seiner fantasiebegabten Protagonistin stets auf Augenhöhe und nimmt ihre Gefühle und Fantasien, Sorgen und Ängste jederzeit ernst.
Sehenswert ab 10.

Trailer (141 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst:
Schon als Anne noch klein war, machte sie stets das Gegenteil von dem, was andere machten, und wenn andere Mädchen Prinzessinnen spielen wollten, dann spielte sie Ritter wie die Jungs. Inzwischen ist Anne zehn Jahre alt, 1,45 Meter groß, wiegt 30 Kilogramm, isst gerne Fischstäbchen, klettert mit ihrem großen Bruder Ole auf Bäume und hasst die Liebe – jedenfalls bis zu dem Tag, an dem der gleichaltrige Philipp Ruge ins norwegische Städtchen zieht, in dem Anne mit ihrer Familie lebt, zur Schule geht und ihre beste Freundin Beate hat. All dies vertraut das temperamentvolle, fantasiebegabte Mädchen dem Zuschauer aus dem Off an, quasi als würde es in ein Tagebuch schreiben; und Anne erzählt noch viel mehr: dass sie sich selbst nicht für hübsch hält, sich eher „eigenartig“ findet, dass sie die einzige in der Klasse sei, die keinen Freund habe, ihre blonde Mitschülerin Ellen indes „perfekt“ sei. Ihr Englischlehrer ist der Meinung, dass es für jeden irgendwann Zeit sei aufzuwachen, und dass es bei Anne höchste Zeit dafür wäre. Genau davon handelt Annes Geschichte; und davon, dass es kein leichtes Aufwachen wird für ein solch „besonderes“ Mädchen, das sich zwar eher intuitiv, aber doch recht vehement für seine Individualität einsetzt, sich in kein Schema pressen lässt und impulsiv, auch irritierend und gar verletzend agieren kann, wenn es sich in die Enge getrieben fühlt. Dabei übernimmt Anna doch so gern die Rolle der Anführerin, etwa wenn sie ihre Spielkameraden zu einem „Spukhaus“ führt, in dem eine junge Frau namens Helga von ihrem Vater eingemauert worden sein soll, weil er gegen ihre große Liebe war. Ausgerechnet in dieses Haus zieht Philipp ein, und mit ihm wird alles anders: Philipp zaubert Anne ihr schönstes Lächeln aufs Gesicht, bei ihm zittert sie innen drin, für ihn will sie alles richtig machen – und macht doch (fast) alles verkehrt.

„Anne liebt Philipp“ bietet eine große gefühlvolle, mal lustige, mal spannende, mitunter sogar auch bedrohliche Liebesgeschichte, die manchmal am Rand einer Katastrophe entlang schrammt, bevor am Ende alles gut wird – und zwar sehr gut. Immer wieder muss sich Anne sagen lassen, dass sie mit zehn Jahren zu jung für die Liebe sei und sich noch gar nicht „richtig“ verlieben könne. Doch was für die anderen noch ein Spiel mit einzuübenden Rollen sein mag, das springt sie urplötzlich an, wobei sie ihren neuen Gefühlen hilflos ausgeliefert ist. Mal gerät Anne beseelt ins Schwärmen, dann wieder versteckt sie sich, mal lügt sie, dann stiehlt sie (Philipps Fotoalbum) und zettelt eine Intrige mit schwerwiegenden Folgen an (wenn sie ihrer Konkurrentin Ellen gefälschte Liebesbriefe unterschiebt); dafür schlägt ihr die Eifersucht ihrer Mitschüler entgegen, die sie ausgrenzen und erniedrigen, sie physisch wie psychisch spüren lassen, dass sie nicht dazu gehört, weil sie „irgendwie anders“ ist. Was Anne dann bleibt, ist die immer gruseliger werdende Geschichte der verliebten Helga, die als fester Teil der Handlung visuelle Gestalt annimmt und mit der Anne die anderen in Bann schlägt – bis gar Blut aus der Zimmertapete rinnt und Helga zu ertrinken droht, und mit ihr Anne. All dies wird mit betont „erwachsenen“ filmischen Mitteln erzählt, ist höchst vital inszeniert, mit aufwühlend dramatischer Musik unterlegt, sensibel und sehr überlegt austariert, in den richtigen Momenten lustig und entspannend, dann wieder sehr intensiv – einfach weil der Film Anne stets auf Augenhöhe begegnet und ihre Gefühle und Fantasien, ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt und diese nie verniedlicht. So wird spürbar, welche Kraft und welch emotionales Kraftwerk in der Zehnjährigen brodeln und dass sich für sie alles „verdammt echt“ anfühlt. Schließlich ist es ein weiser Rat ihrer Mutter, den Anne befolgt: Jeder mache einmal Fehler, erklärt diese ihrer Tochter, und es käme vor allem darauf an, was man danach macht.

So verdichtet sich Annes Liebesgeschichte zu einem nachdrücklichen Kinoerlebnis, das junge Zuschauer nicht so schnell vergessen dürften und das auch für Ältere in jeder Hinsicht ein Gewinn ist. Dass sich dieser ebenso turbulente wie intensive Parforce-Ritt durch die Gefühle eines Kindes kaum für kleinere Kinogänger eignet, war wohl auch der FSK klar, als sie den Film zunächst „ab 12“ freigab, dann aber einen Rückzieher machte und auf die einzige andere Altersfreigabe in der Nähe („ab 6“) umschwenkte. Dabei hätte eine „ab 12“-Freigabe bedeutet, dass den Film auch Sechsjährige hätten sehen können – freilich in Begleitung der Eltern. Was ein deutliches Signal und eine sehr angemessene Einladung zum gemeinsamen Kinobesuch von Groß und Klein gewesen wäre, nach dem es viel zu reden und viel zu diskutieren gibt. Nun aber können Kinos den Film wieder recht bequem in einer nachmittäglichen Wochenendvorführung einsetzen, wo „die lieben Kleinen“ dann nur zu gern geparkt werden – allein gelassen vor einem tollen Film, der aber so manche überfordern könnte.
Horst Peter Koll
Kritik aus film-dienst Nr. 1/2012