Nachtrag/Statement zu "The Zone of Interest"

Nachtrag/Statement zu "The Zone of Interest"

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Liebes Publikum,
ich knüpfe inhaltlich an meine Email vom 13. März an (übrigens ein Jahrestag: Am Freitag, den 13. März 2020, haben wir das achteinhalb kurz nach unserem 25-jährigen Jubiläum für sieben Monate geschlossen.).
 

Ich kannte zu dem Zeitpunkt weder die Dankesrede von Jonathan Glazer noch die Reaktionen auf diese. Erst am 15. März las ich auf Twitter die Stellungnahme von Dr. Piotr MA Cywiński, dem Direktor der Gedenkstätte Auschwitz, und wurde so auf das Folgende aufmerksam.
 

Dieser Teil von Glazers Rede löste einen Proteststurm aus:
"
‚Schaut, was sie damals getan haben‘, sondern: ‚Schaut, was wir heute tun!‘ Unser Film zeigt, wohin die Entmenschlichung in ihrer schlimmsten Form führt. Sie hat unsere gesamte Vergangenheit und Gegenwart geprägt. Heute stehen wir hier als Menschen, die ihr Jüdischsein und den Holocaust ablehnen, der von einer Besatzung gekapert wurde, die zu Konflikten für so viele unschuldige Menschen geführt hat. Ob die Opfer des 7. Oktobers in Israel oder des andauernden Angriffs auf Gaza. Alle sind Opfer dieser Entmenschlichung …, wie können wir widerstehen?

  
Glazer sprach es nicht direkt aus, legte jedoch nahe, dass mit "Besatzung" die israelische Militärpräsenz im Gazastreifen gemeint ist. Noch bevor er seinen Oscar der polnischen Widerstandskämpferin Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk widmete, die in The Zone of Interest durch Nachtbildkameras erleuchtet und somit als buchstäbliche Lichtgestalt auftritt, kam Glazer zum Kern seiner Ansprache: "How do we resist?", sagte er mit Bezug auf die erwähnte Entmenschlichung. Wie können wir widerstehen?
(transkribiert aus RollingStone und der Zeit)

   
Hier die Stellungnahme von Dr. Piotr MA Cywiński:
"In seiner Dankesrede für den Oscar sprach Jonathan Glazer eine allgemeine moralische Warnung vor Entmenschlichung aus. Sein Ziel war es nicht, sich auf die Ebene des politischen Diskurses herabzulassen.

 
Kritiker, die eine klare politische Haltung oder einen Film über den Völkermord erwartet hatten, haben die Tiefe seiner Botschaft nicht verstanden.

The Zone of Interest" ist kein Film über die Shoah. Er ist in erster Linie eine tiefgründige Warnung über die Menschheit und ihre Natur."

"Während Jonathan Glazers kurze, emotionale und viel kritisierte Oscar-Annahme-Rede für Interpretationen offen ist, enthält sein Film 'Zone of Interest' eine klare, unmissverständliche und universelle Botschaft: Die Saat des größten Übels lauert in unserem Alltag, und wir alle tragen das Potenzial in uns, einem anderen Menschen zu schaden.  

Diese Botschaft steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt des Auftrags des Museums Auschwitz-Birkenau, das die Erinnerung an die Opfer und Überlebenden schützt. Auch wenn die Lehren aus dem Holocaust universell sind, sollten die Symbole der Shoah niemals zu politischen Zwecken missbraucht werden.
   

Ich wollte niemanden verletzen oder verärgern. Mein Ziel war es, uns daran zu erinnern, dass die Rolle der Erinnerung darin besteht, jeden von uns mit den unbequemsten ethischen und moralischen Fragen zu konfrontieren." 

Dr. Piotr MA Cywiński Der Direktor des Auschwitz-Museums
 

Was mich angeht, mich erschüttert dieser Film keineswegs, er berührt mich aber zutiefst.
Mich erschüttert vielmehr zu sehen, wie rasant wir bereit sind, andere zu stigmatisieren und auszugrenzen, Grundrechte und vieles mehr zur Disposition zu stellen, sobald politischerseits der gesellschaftliche Referenzrahmen verschoben wird – sich der Wind im Lande dreht.


Am Dienstag, den 26. März, zeigen wir "The Zone of Interest" zum letzten Mal.
Ich habe den Film mehrmals gesehen. Die Großartigkeit des Films erschließt sich m. E. nicht in Gänze beim ersten Sehen.
"The Zone of Interest" liegt aktuell mit ca. 500.000 Besuchern auf Platz 1 der Arthouse-Charts.
Das ist sensationell. 100.000 wären schon ein Erfolg gewesen. Das Kammer zeigt ihn erfreulicherweise mittlerweile auch, insofern besteht evtl. die Möglichkeit, ihn dort noch über den Dienstag hinaus zu sehen.
 

Herzliche Grüße
Stefan Eichardt
www.kino-achteinhalb.de

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