CinEspanol: Carmina o Revienta (OmdU)

  Sonntag, 05. März 2017 - 19:30 bis Sonntag, 05. März 2017 - 20:45

Eintritt: 5 Euro

Komödie Spanien 2012
Kinostart: 5. Dezember 2013
71 Minuten
 
Regie/Drehbuch: Paco León
Buch: Paco León
Kamera: Juan González
Musik: Pony Bravo
Schnitt: Ana Álvarez Ossorio

Darsteller:
Carmina Barrios (Carmina), María León (María), Paco Casaus (Antonio León), Ana María García (Ani), Raimundo Carrasco, Fran Torres, Miguel Alcíbar, Jose Mari Bizcocho


Kurzkritik Filmdienst:
Eine 58-jährige Barkeeperin aus Sevilla will sich an den Versicherungen rächen und ihre Kneipe sowie die Familie durch einen geschickten Versicherungsbetrug aus den roten Zahlen holen. Teils herbe Komödie, teils semidokumentarisches Porträt einer ungewöhnlichen Frau und ihrer Anschauungen als Gratwanderung zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Der Film bringt soziale Realität, brachiale Komik und tiefe Lebensphilosophie zusammen, wobei die unverblümt über sich, ihre Familie und das Leben räsonnierende Hauptdarstellerin Carmina Barrios die Mutter des Regisseurs ist, wie auch viele andere Mitwirkende aus dessen Familie stammen. (O.m.d.U.)
- Ab 14.

Wikipedia

Filmwebseite  

 

Trailer (119 Sekunden):


 

ausführliche Kritik Filmdienst:
Carmina Barrios, eine energische, lebenslustige 58-Jährige, betreibt eine kleine Bar am Stadtrand von Sevilla. Es ist eines der ärmeren Viertel der andalusischen Hauptstadt, in dem oft eingebrochen wird. Auch bei Carmina. Doch die Versicherung will für den Schaden nicht aufkommen. Deshalb nimmt Carmina das Thema Entschädigung selbst in die Hand. Sie plant einen großen Versicherungsbetrug, um ihre Familie aus der ständigen Geldknappheit zu befreien. Bei einem fingierten Einbruch sollen gut versicherte Serrano-Schicken gestohlen und unter der Hand weiterverkauft werden.

Der Plot bedient ein klassisches Motiv der spanischen „Picardia“-Literatur, die Spitzbubengeschichten und Schelmenromane mit viel „esperpento“, einem überbordenden schwarzen Humor, versammelt. Der besondere Reiz des Films liegt im Porträt dieser ausladenden Frau und ihren Reflektionen über sich, ihre Familie und das Leben an sich, die sie meistens an Spüle und Herd von sich gibt. Carmina hat drei Kinder und eine Enkelin. Ihr Ehemann Antonio ist dem Alkohol verfallen und trinkt trotz ärztlichem Verbot. Überdies trifft sich Carmina immer wieder mit einer Freundin, die ihr von Freundschaften mit Berühmtheiten erzählt, wobei offen bleibt, ob ihre Begegnungen erfunden sind oder etwas Wahres an ihnen ist. Dichtung und Wahrheit, Fiktion und Wirklichkeit sind hier von Anfang an ineinander verwoben.
Paco León, ein erfolgreicher Schauspieler spanischer Fernsehserien, hat für sein Regiedebüt die äußere Form des Dokumentarfilms gewählt: „Carmina o revienta“ ist eine Art fiktiver Dokumentarfilm über eine redselige, emotional schlaue, manchmal vulgär-derbe Frau. „Fiktiv“ ist diese Dokumentation, die so hundertprozentig in eine soziale Realität eingebettet erscheint, weil Carmina Barrios die Mutter des Regisseurs ist, und auch seine Schwester Maria León ist mit von der Partie.
„Carmen o revienta“ ist eine rasante Achterbahnfahrt zwischen Realismus, brachialer Komik und tiefer Lebensphilosophie. Spontan, direkt, ein wenig absurd, manchmal laut, fast derb und ausfallend, wenn die Mutter beim schallenden Heiterkeitsausbruch im Auto die Kontrolle über ihren Körper verliert und sich zum Entsetzen der Tochter einkotet. Für León ist es ein Porträt seiner Mutter, aber mit vielen fiktiven Elementen.
Der Film ist aber auch ein interessantes Beispiel, wie im krisengeschüttelten Spanien überhaupt noch Autorenkino entstehen kann. Der Film, an dem auch noch andere Familienmitglieder Leóns mitwirkten, hat nicht mehr als 40 000 Euro gekostet. Bewußt wurden auch die offiziellen spanischen Verleiher gemieden: stattdessen wurden gezielt 30 Kinos zum Start ausgewählt. Der Film war die erste größere Filmpremiere in Spanien, die gleichzeitig in den Kinos, im Pay-TV und auf legalen Internetplattformen stattfand und als DVD heraus gebracht wurde. Mit großem Erfolg.

Wolfgang Hamdorf, FILMDIENST 2013/25