Schneider vs. Bax

  Freitag, 06. Januar 2017 - 20:30 bis - 22:20

Dieser Film ist völlig untergegangen in Deutschland, nur 2.179 Zuschauer haben ihn gesehen. Bei und waren am Freitag 13 Zuschauer anwesend, die sich alle durch die Bank ausnahmslos gut amüsiert haben und das Kino sichtlich vergnügt und erheitert verlassen haben.


Eintritt: 5,00 €

Gangster-Komödie Niederlande 2015
Kinostart: 20. Oktober 2010
100 Minuten
FSK: ab 16; f
 
Regie/Produktion/Musik/Drehbuch/Hauptdarsteller: Alex van Warmerdam   
Kamera: Tom Erisman
Schnitt: Job ter Burg

Darsteller:
Tom Dewispelaere (Schneider), Alex van Warmerdam (Ramon Bax), Maria Kraakman (Francisca), Annet Malherbe (Gina), Gene Bervoets (Mertens), Eva van de Wijdeven (Nadine), Pierre Bokma (Bolek), Loes Haverkort (Lucy), Henri Garcin (Gérard), Ali Zijlstra (Loetje)
Neue Visionen, Scope, ohne KDM, 3W200

 
FilmhomepageEPD-Film 

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Aus unerfindlichen Gründen werden zwei Auftragskiller aufeinander gehetzt und müssen sich unter erheblichem Zeitdruck um eine der Situation angepasste „Work-Life-Balance“ bemühen, bevor an die Erledigung des jeweiligen Auftrags zu denken ist. Der atmosphärisch wie stilistisch ambitionierte Thriller lotet mit lakonischer, provozierend amoralischer Unbekümmertheit eine absurde Versuchsanordnung aus, wobei das originelle Setting und der hohe Abstraktionsgrad dem Film einen Zug ins Parabolische mit surrealer Tendenz verleihen. - Sehenswert ab 16.  
Ulrich Kriest, FILMDIENST 2016/21

EPD 10/2016: ★★★★ (4 von 5 Sternen) - Tim Lindemann
Zwei Auftragskiller werden von ihrem Boss auf den jeweils anderen angesetzt. Immer mehr Familienangehörige und Unbeteiligte
werden in die Fehde involviert, und nichts läuft so wie geplant. Surrealistische Killerkomödie, die auf einzigartige Weise zwischen
obskurem Humor, reinem Slapstick und unvermittelter Drastik pendelt.


Trailer (139 Sekunden):



ausführliche Kritik Filmdienst
Nach der überaus erfolgreichen, visuell und inhaltlich düsteren, aber immer leicht surrealen Sozial-Parabel „Borgman“ präsentiert der niederländische Provokateur Alex van Warmerdam einen sonnendurchfluteten Ausflug ins Genrekino, ins zwischen Drastik und Komödie changierende Subgenre des Auftragskiller-Thrillers a la „Ein Mann – ein Mord“ von George Armitage oder „Brügge sehen… und sterben?“ von Martin McDonagh, wo Profi-Killer sich und ihrem sozialen Umfeld das (Über-)Leben nach Möglichkeit gegenseitig schwermachen.

Nicht einmal an seinem Geburtstag ist man als Auftragskiller davor gefeit, dass einer anruft, um einen Job zu vergeben. Gerade noch haben die entzückenden Kinder ein Ständchen gesungen und sich in die Schule verabschiedet, als das Mobiltelefon von Schneider klingelt. Ein einfacher Auftrag, schnell und problemlos zu erledigen. Das müsste sogar mit der abendlichen Feier mit Familie und Freunden zu vereinbaren sein, denen Schneider eine bürgerliche Existenz vorspielt. Der Auftraggeber Mertens will sogar behilflich sein.

Umgebracht werden soll der Buchautor Ramon Bax, der in einem einsam gelegenen Haus am Wasser lebt, mitten in einem Naturschutzgebiet. Während Schneider sich akribisch und professionell an die Arbeit macht, wird deutlich, dass Bax ein paar Probleme hat. Nicht nur die Drogensucht macht dem Schriftsteller zu schaffen, sondern auch die Geliebte, die das Feld nicht räumen will, nur weil Bax’ depressive Tochter ihr Kommen angekündigt hat. Und dann ist da auch noch der Anruf von Mertens, der Bax vor Schneider warnt, denn auch Bax jobbt nebenbei als Auftragskiller.

Dieses Anforderungsprofil spielt zunächst aber keine besondere Rolle, denn bevor sich die beiden Akteure aneinander messen können, müssen allerlei Hindernisse mit mehr oder minderer Dringlichkeit überwunden werden: Familienmitglieder, Familiengeheimnisse, Ex-Geliebte und Anhang, mehr oder weniger unangenehme Zufallsbekanntschaften, Ordnungshüter, ein von den modernen Kommunikationstechniken überforderter Auftraggeber und schließlich auch die topografischen Gegebenheiten vor Ort.

Alex van Warmerdam zeichnet all die Umstände und Abgründe in größter Helligkeit zwischen Weiß und Beige: Bax’ Holzhaus strahlt in modischem Weiß, die Sonne gleißt, der Himmel scheint beige, die Figuren tragen überwiegend helle Kleidung. Die lakonische, provozierend amoralisch-nüchterne Unbekümmertheit, mit der hier die Konfrontation divergierender Welten (der Bourgeois als Auftragskiller, der Poète maudit als Auftragskiller, die cleane Musterfamilie, die psychotische Familie als Terrorzusammenhang) als durchaus konventionell und alltäglich gezeichnet wird, produziert surreal-absurde Effekte in der Tradition Buñuels und atmet den dunklen Witz der Coen-Brüder, potenziert durch das originelle Setting, das immer wieder Referenzen zum Western evoziert.

Die Handlung fordert und fördert Umwege, im hohen Schilf verliert man schnell die Übersicht, der angrenzende Sumpf tut ein Übriges. Wenngleich der Anlass im Dunklen bleibt und der wechselseitige Auftragsmord sich recht schnell als hinfällig erweist, wird das Duell stoisch bis zum Ende exekutiert, und auch darüber hinaus, weil es, Ordnung muss sein, keine Zeugen geben darf.

„Schneider vs. Bax“, ebenso unterhaltsam, spannend und komisch wie böse, deutet wiederholt darauf hin, dass sich hinter dem abstrakt-dekonstruierten Genrefilm vielleicht eine parabolische Metaebene verbergen könnte. Bei deren Entzifferung bleibt man – anders als die Protagonisten des Films – indes auf sich allein gestellt.

Ulrich Kriest, FILMDIENST 2016/21