Snowden

  Freitag, 16. Dezember 2016 - 20:30 bis - 22:55

Eintritt: 5,00 €

Den Dokumentarfilm "Citizenfour" hatten wir im achteinhalb gezeigt (bevor er oscarprämiert worden ist).


Biopic/Politthriller USA/Deutschland 2016
Kinostart: 22. September 2016
135 Minuten
FSK: ab 6; f

Produktion: Moritz Borman, Eric Kopeloff, Philip Schulz-Deyle, Fernando Sulichin, Rene Kock, Robert S. Wilson

Regie: Oliver Stone
Drehbuch: Oliver Stone, Kieran Fitzgerald
Kamera: Anthony Dod Mantle 
Musik: Craig Armstrong, Adam Peters
Schnitt: Alex Marquez

Alle Nominierungen und Auszeichnungen auf IMDB

Darsteller:
Joseph Gordon-Levitt (Edward Snowden), Shailene Woodley (Lindsay Mills), Melissa Leo (Laura Poitras), Nicolas Cage (Hank Forrester), Zachary Quinto (Glenn Greenwald), Tom Wilkinson (Ewen MacAskill), Rhys Ifans (Corbin O'Brian), Scott Eastwood (Trevor James), Joely Richardson (Janine Gibson), Timothy Olyphant (Matt Kovar), Logan Marshall-Green (Drohnenpilot), Ben Schnetzer (Gabriel Sol), Lakeith Lee Stanfield (Patrick Haynes)
Verleih: Universum Film über Walt Disney, Zuschauer: 329.015 in 4 Wochen, Filmformat: Cinemascope (2,35:1)

 
Filmhomepage, WikipediaProgrammkino.de, EPD-FilmFilmgazette, alle Daten zum Film auf Filmportal.de

FAZ: Was wird aus unseren Männern im Cyber War?
Süddeutsche Zeitung Videokritik von Fritz Göttler
Spiegel: Im Bett mit dem Whistleblower 
Die Zeit - Interview mit Oliver Stone: "Ich sorge mich um mein Land"
taz: Vom Whistleblower verweht
Frankfurter Rundschau: Amerikas Natural Born Hero
Junge Welt: So läuft es halt
der Freitag: Echte Helden
Perlentaucher: Biopic "Snowden"

Neue Züricher Zeitung: Oliver Stones bester Film seit langem
Der Wiener Standard: "Snowden": Ein kritischer amerikanischer Patriot

NachDenkSeiten: Realität auf der Leinwand
Telepolis: Snowden – der sicherste Ort ist das Kino
Telepolis: "Vergessen Sie John Kornblum!"

Faktencheck: So realistisch ist der neue "Snowden"-Film
Spionage im Netz: Warum Sie Ihre Webcam besser abkleben sollten

 

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.

Kurzkritik Filmdienst
Die rückblickend erzählte Lebensgeschichte des US-amerikanischen Whistleblowers und ehemaligen CIA-Mitarbeiters Edward Snowden, deren Rahmen Snowdens Gespräche mit dem Journalisten Glenn Greenwald in Hongkong bilden, in das Stationen seiner allmählichen Politisierung eingeflochten sind. Während das allzu glatte Patchwork aus popkulturellen Anspielungen sowie authentischen, halbfiktionalen und fiktionalen Quellen mitunter unangenehm didaktisch gerät, verdichtet sich der Film immer dann bedrückend und eindringlich, wenn die Macht der allumfassenden Überwachung an konkreten Einzelbeispielen dargelegt wird. - Ab 14. (3 von 5 Sternen)
Tim Slagman

Kurzkritik EPD:
Dass die Geschichte von Snowden bekannt ist, heißt nicht, dass sie an Spannung und Dramatik verloren hat. Der aufrechte linke Aufklärer Stone erzählt sie lebendig und ohne die seine Filme sonst oft beschwerende Schlagseite in Richtung Grobpropaganda.
★★★★ (4 von 5 Sternen) - Alexandra Seitz

KinoKino - das Filmmagazin des Bayerischen Rundfunks (4 Minuten):

 

Trailer (72 Sekunden):



Close UP - Das 3Sat-Kinomagazin vom 20. September 2016 (4 Minuten):

Mediathek

 

ausführliche Kritik Filmdienst
Die Helden des digitalen Zeitalters kriegen nicht viel Sonne ab. Ob er in Wirklichkeit auch so blass sei, chattet seine Freundin in spe mit dem Whistleblower in spe Edward Snowden, als der, von den körperlichen Strapazen des Militärdiensts gebrochen, in einem Krankenhausbett liegt. Zum Ende hin, als die Schlacht um den Code und die Dateien geschlagen und ein Etappensieg errungen ist, lässt Oliver Stone seinen Hauptdarsteller Joseph Gordon-Levitt aus dem Serverbunker ins gleißende Licht stolzieren, ein Moment des sagenhaft übertriebenen Kitsches.

Ein Held muss er schließlich sein, dieser Edward Snowden, sonst würde es sich ja nicht lohnen, seine Geschichte noch einmal oder überhaupt zu erzählen. „I’m not the story here“, sagte der blasse Snowden damals in seinem Hongkonger Hotelzimmer zur Dokumentarfilmerin Laura Poitras und dem Journalisten Glenn Greenwald. Auch wenn dieser Satz aus „Citizenfour“ bei Oliver Stone nicht fällt, so zitiert der streitbare Regisseur Poitras’ Film doch immer wieder und wählt dessen Setting als Rahmung seiner eigenen Erzählung.

Die Vorgeschichte von Snowdens Enthüllungen ist die der Gewissensbildung eines Mannes, der als glühender Patriot nach dem Ausscheiden aus dem Militär bei der CIA anheuert, nach einer skrupellosen Episode in Genf aber ausscheidet, um als freier Berater von IT-Firmen schlussendlich doch wieder bei den Geheimdiensten zu landen. Seine Bedenken wachsen. Beim zweiten Einstellungstest am Lügendetektor zittert die Nadel gewaltig, als er bejahen muss, dass die USA das großartigste Land der Welt seien. Seine Beziehung mit Lindsay Mills, der Dame aus dem Chat und einer überzeugten Linksliberalen, bröckelt und fügt sich doch wieder zusammen. Der Weg zum Helden ist bei Stone kein geradliniger.

Der Regisseur und sein Co-Autor Kieran Fitzgerald haben während der Vorbereitung mit Snowden gesprochen. Außerdem stützen sie sich auf Luke Hardings Buch „Edward Snowden. Geschichte einer Weltaffäre“, das der Autor ohne direkten Kontakt zum Whistleblower verfasste – und auf „Time of the Octopus“, einen von den realen Begebenheiten inspirierten Roman von Snowdens russischem Anwalt Anatoli Kutscherena. Das Ergebnis ist ein glatt gebügeltes Patchwork aus authentischen, halbfiktionalen und fiktionalen Quellen, vermengt mit popkulturellen Anspielungen. Der Drill in Snowdens Militärdienst erinnert bis in einzelne Einstellungen an Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“, Snowdens erster CIA-Mentor O’Brien soll seinen Namen dem Parteifunktionär aus Orwells „1984“ verdanken. All dies strukturiert sich allerdings streng in der chronologischen Abfolge von Snowdens Aufträgen und seinen Entdeckungen, die nach den Regeln des emotionalisierenden Biopics mit privat-unheroischen Facetten als liebender, leidender, durch seine Tätigkeit aber auch extrem anstrengender Beziehungspartner kontrastiert werden.

Gordon-Levitt spielt Snowden mit der gleichen mysteriösen Mischung aus Kontrolle und Schüchternheit, aus leiser, aber tiefer Stimme und leicht verhuschtem, dann wieder konzentriertem Blick, die das öffentliche Image seines Vorbildes kennzeichnet. Die Filmemacher haben aus Snowdens Geschichte einen braven, in der Werkgeschichte von Oliver Stone auffallend konventionellen Film gemacht. Die rasante Montage, das hysterische Nebeneinander von Eindrücken, Auflösungen und Einstellungen findet sich nur in den wenigen Momenten, in denen Poitras’ dokumentarische Kamera im Hotelzimmer simuliert werden soll – oder wenn die hinlänglich bekannten Kino-Metonymien des Hackertums, die über die Leinwand laufenden Programmzeilen, die galaxienartigen abstrakten Netzwerke zwischen den ausgespähten Usern ins grobpixelige, riesige Smartphone-Selfieüberwachungsbild des einzelnen Users münden. Den haben wir. Dich auch.

Die nachhaltigsten Momente erzielt der Film, der auch unangenehm didaktische Augenblicke besitzt, genau dort, wo er dem Laien die Alltagsmacht offenlegt, die sich hinter Ausdrücken wie XKeyscore oder Prism versteckt. Zwei junge Kerle aktivieren am anderen Ende der Welt einmal die Webcam einer Frau, der sie beim Ausziehen zuschauen. Später findet das digitale Heroentum auch seinen cineastischen Ausdruck: In Zeitlupe senkt sich ein Fuß auf eine Speicherkarte, damit der Vorgesetzte sie nicht entdeckt. Mehr Physis braucht es heute nicht mehr, um die Welt ein bisschen besser zu machen.

Tim Slagman, FILMDIENST 2016/19