Parchim international
Eintritt: 5,00 €
Dokumentarfilm/Culture-Clash-Komödie Deutschland 2015
Kinostart: 19. Mai 2016
89 Minuten
FSK: ab 0; f
Produktion: Kathrin Lemme
Regie: Stefan Eberlein, Manuel Fenn (Co-Regie)
Buch: Stefan Eberlein
Kamera: Manuel Fenn
Musik: Eckart Gadow
Schnitt: Antonia Fenn
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Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film" ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst
Der chinesische Investor Jonathan Pang kaufte 2007 in Mecklenburg-Vorpommern einen ausgedienten Militärflughafen, um eine internationale Drehscheibe für den Flugfrachtverkehr zwischen China, Europa und Afrika ins Leben zu rufen. Die spannende, ebenso kurzweilige wie amüsante Langzeitstudie beobachtet das Projekt zwischen ökonomischem Hauptgewinn für die strukturschwache Region und windigem Hirngespinst eines Emporkömmlings auf unterschiedlichsten Ebenen. Der Dokumentarfilm handelt sowohl von den Chimären des globalisierten Kapitalismus als auch von den Niederungen regionaler Wirtschaftspolitik, wobei sich der Investor als ausdauernder Langstreckenträumer entpuppt.
Sehenswert ab 14.
Trailer (115 Sekunden):
ausführliche Kritik Filmdienst
Vor Ort in der norddeutschen Provinz vertritt der aus Bayern stammende Werner Kran die Interessen Pangs und kümmert sich um Kontakte zu kommunalen, regionalen und Bundes-Behörden. Schnell wird in der spannenden, höchst anregenden Langzeitbeobachtung von Stefan Eberlein und Manuel Fenn deutlich, dass man es bei „Parchim International“ mit einer launigen Studie über „Globalisierung und interkulturelle Kommunikation“ zu tun hat. Natürlich wäre eine Realisierung von Pangs Projekt für die strukturschwache Region ein Hauptgewinn. Entsprechend behandelt man den umtriebigen Geschäftsmann mit den großen Plänen freundlich, aber doch mit einiger Skepsis, was die Finanzierbarkeit seiner Pläne betrifft.
Nach und nach entfaltet der Film unterschiedliche Kommunikationsräume, die kaum zu vermitteln sind. Während Unternehmer Pang durch die Welt jettet und Konzepte schmiedet, sitzt sein Berater Kran in der norddeutschen Provinz und reibt sich an Bürokratie und Regionalpresse. Von den Mühen der Ebene, so Kran, erfahre Pang nichts, dafür habe der Investor ohnehin keinen Sinn. Die betroffenen Anwohner beobachten die Entwicklung des Projekts, das sich nicht recht entwickelt, mit milder Nachsicht und stiller Hoffnung.
Immer deutlicher treten Mentalitätsunterschiede im Umgang mit dem Begriff der Zeit zutage. Was für die Parchimer zunächst durchaus als Option auf eine bessere Zukunft erscheint, entwickelt sich über die Jahre eher zum Luftschloss: „In den letzten drei Jahren wurde hier kein Gramm Fracht transportiert“, heißt es einmal, und nicht einmal böse. Je mehr Zeit verstreicht und je länger sich auf dem Flugfeld noch immer Fuchs und Hase „Gute Nacht!“ sagen, desto stärker rückt Pang in den Mittelpunkt. Der Film spielt den Trumpf der Vertrautheit aus, den eine Langzeitbeobachtung glücklicherweise mit sich bringt. Hatte der Geschäftsmann zu Beginn noch davon gesprochen, dass es darum gehe, Steine in ein Gewässer zu werfen, um zu sehen, was passiere, so hält er sich in Krisenzeiten an die Weisheit der Natur. Im Winter stelle die Schlange ihre Aktivität ein und warte lieber auf wärmeres Wetter.
Später, beim Besuch seines Elternhauses in einem kleinen Dorf, wird deutlich, vor welchem biografischen Hintergrund der Aufsteiger Pang agiert, der in seinem Leben einmal schmerzhaft zwischen Familie und Beruf wählen mussste und sich seither im Beruf beweisen will. Weil sich das Flughafen-Projekt hinzieht, entwickelt Pang rasch eine neue Idee. Irgendwas mit Fischzucht, was allerdings aufgrund der Ressourcen in Norddeutschland so nicht zu realisieren ist. Was Pang aber nicht glauben mag. Binnenfischerei ist nicht nach Belieben skalierbar? Die Ausflüge des Films nach Shanghai zeigen doch, dass man vor Ort in China ähnlich ambitionierte Projekte wie die Flughafen-Cargo-Drehscheibe zu realisieren vermochte. Ganz pragmatisch und ohne ökologische Rücksichtnahmen.
Immer wieder sieht man im Film Jonathan Pang als ausdauernden Langstreckenläufer seine Runden drehen: seine Begegnung mit Mecklenburg-Vorpommern scheint auch das Porträt zweier sehr unterschiedlicher Formen des Beharrens zu sein. Die Eröffnung des Flughafens Parchim-Schwerin ist für den Sommer 2016 geplant.
Ulrich Kriest, FILMDIENST 2016/10