CinEspanol: CONDUCTA - Wir werden sein wie Che (OmdU)

  Mittwoch, 15. Juni 2016 - 19:30 bis Mittwoch, 15. Juni 2016 - 21:30

Übersetzung: Conducta

 

Eintritt: 5,00 €

Kuba 2014
Kinostart: 7. Januar 2016
108 Minuten
FSK: ab 12; f
  
Regie: Ernesto Daranas    
Drehbuch: Ernesto Daranas    
Kamera: Alejandro Pérez    
Musik: Juan Antonio Leyva, Magda Rosa Galbán    
Schnitt: Pedro Suárez    

Darsteller: Alina Rodríguez (Carmela), Armando Valdés Freire (Chala), Sílvia Águila (Raquel), Yuliet Cruz (Sonia), Armando Miguel Gómez (Ignacio), Miriel Cejas (Maria), Idalmis Garcia (Mercedes), Amaly Junco (Yeni)    
Kairos, Scope

Evangelische Filmjury: Film des Monats Januar 2016

 

Der Filmdienst ist seit Jahren die führende deutsche Kinofilmfachzeitschrift. Da die Kritiken des Filmdiensts nicht ohne weiteres zugänglich sind, drucken wir sie hier ab, unabhängig ob sie positiv oder negativ ausfallen. Unser Ehrgeiz ist es nicht, Interessierte mit hohlen Versprechungen oder plakativen Etikettierunen wie "Kunstfilm" oder "besonderer Film"  ins achteinhalb zu locken. Die wenigstens Filme erhalten vom Filmdienst eine positive Kritik. Es ist daher durchaus so, dass Filme, die dort nicht so positiv "wegkommen", ansonsten durchweg positive Kritiken erhalten haben und wir auch einige Filme "klasse" gefunden haben, die vom Filmdienst kritisch bewertet worden sind. Es ist halt eine Meinung unter mehreren, aber in der Regel eine fundierte. Die höchste Auszeichnung ist das Prädikat "sehenswert", die Altersempfehlung ist eine pädagogische.
Kurzkritik Filmdienst

Eine ältere Lehrerin legt sich mit der kubanischen Schulverwaltung an, um zwei ihrer Schützlinge, einen zwölfjährigen Straßenjungen und ein Flüchtlingsmädchen aus Palästina, vor unangemessener Härte zu schützen. Als die Behörden sie vorzeitig in Ruhestand schicken wollen, wird das Kollegium in den Konflikt um eine von Empathie und Hingabe getragene Pädagogik hineingezogen. Das pointiert inszenierte, von tiefer Menschlichkeit geprägte Drama verzichtet auf jede Schwarz-Weiß-Malerei, verlangt gleichwohl vom Zuschauer eine eigene Wertung. - Sehenswert ab 14.

Filmhomepage, Programmkino.de, epd-Film

 

Trailer (82 Sekunden):

 

  

ausführliche Kritik Filmdienst

Ist die kubanische Revolution im Inselstaat nicht längst in der Schule und im Alltag der Schüler und Lehrer angekommen? Das derzeitige Tauwetter zwischen Kuba und den USA und ein damit einhergehender Paradigmenwechsel tragen sicher mit dazu bei, dass Filme aus Kuba filmtechnisch immer professioneller und vor allem ideologisch kritischer werden. Das beste Beispiel dafür ist „Conducta“ von Ernesto Daranas, der sowohl 2014 beim „Schlingel“ in Chemnitz als auch 2015 bei „Lucas“ in Frankfurt/Main mit einem Hauptpreis ausgezeichnet wurde. In Kuba selbst war das emotional ergreifende und von tiefer Menschlichkeit geprägte Werk 2014 sogar der absolute Publikumserfolg des Jahres und wurde dort heiß diskutiert.
In Deutschland mag Che Guevara, der nur im deutschen Filmtitel zitiert wird, zwar einiges von seinem einstigen Ruhm eingebüßt haben, doch um Che geht es im engeren Sinn auch gar nicht. Im Mittelpunkt steht vielmehr die ältere Lehrerin Carmela – grandios gespielt von Alina Rodríguez –, die sich dagegen entschieden hat, mit ihrer Familie nach Miami auszuwandern und lieber ihren Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie in der Schulverwaltung fortführt. Insbesondere wegen ihres Engagements für zwei ihrer Schüler aus schwierigen sozialen Verhältnissen soll sie daher in den Ruhestand verabschiedet werden.
Den zwölfjährigen Chala hat Carmela besonders in ihr Herz geschlossen. Der Junge sorgt für seine drogenabhängige Mutter, indem er gegen Geld für seinen Nachbarn Ignacio auf Hunde aufpasst, die dieser für brutale Hundekämpfe abrichtet. Zugleich muss sich Chala als Kind der Straße gegen Anfeindungen und Übergriffe behaupten. Kein Wunder, dass er auch in der Schule immer wieder auffällt und daher in ein Umerziehungsheim gesteckt werden soll. Aus langer Erfahrung weiß Carmela, dass die Probleme des Jungen damit nicht gelöst werden und er immer stärker ins soziale Abseits geraten würde.
Zur gleichen Zeit bahnt sich eine zarte Liebesbeziehung zwischen Chala und Yeni an, die als Palästinenser-Mädchen bezeichnet wird, im christlichen Glauben fest verankert ist und obendrein ohne Aufenthaltsgenehmigung – Kuba gehörte 1988 zu den ersten Staaten, die das Palästinensergebiet als autonomen Staat anerkannten – mit ihrem Vater in Kuba lebt. Indem sich Carmela dafür einsetzt, dass Yeni dennoch die Schule besuchen kann, gerät sie in Konflikt mit der Schulbehörde, die unnachgiebig auf Recht und Ordnung pocht, ohne auf das Wohl der Kinder zu achten. Als Carmela frühpensioniert werden soll, werden auch andere Lehrer unter Druck gesetzt und müssen bei diesem Machtkampf Stellung beziehen.
Der Originaltitel „Conducta“ ist doppeldeutig zu verstehen: In der wörtlichen Übersetzung geht es um das Betragen der Kinder, das in schulischer Hinsicht insbesondere bei Chala oftmals ungenügend ist. Im weiteren Sinn geht es um das Verhalten der Schüler und der Erwachsenen, um ihre Motivationen und Beweggründe, die sie zu bestimmten Handlungen und Entscheidungen führen und dem Zuschauer eine Wertung abverlangen. Das geschieht nicht durch einfache Schwarz-Weiß-Malerei. Beispielsweise macht Yeni ihrem Freund wiederholt klar, dass er mit seinem Verhalten den möglichen Tod der Hunde in Kauf nimmt, obwohl er nie unmittelbar in die blutigen Hundekämpfe einbezogen ist. Und auch die Schulleitung ist fest davon überzeugt, zum Wohl der Kinder zu handeln, selbst wenn dies eher aus egoistischen und opportunistischen Vorstellungen erfolgt.
Eindeutig dagegen ist die Kameraarbeit, die in vielen Großaufnahmen eine unmittelbare Identifikation mit der Lehrerin und ihren beiden Schülern ermöglicht, was von einer dezent eingesetzten Klaviermusik in Moll-Tonart unterstützt wird. Eine nahezu perfekte schnelle Schnitttechnik, gut gesetzte Spannungsbögen und zahlreiche Impressionen aus Havanna, die nicht nur die Schokoladenseite der Stadt zeigen, machen den Film auch visuell zu einem Erlebnis.

Holger Twele, FILMDIENST 2016/1

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