St. Vincent

Freitag, 27. März 2015 - 20:30

Eintritt: 5,00 €

Komödie USA 2014
Kinostart: 8. Januar 2015
103 Minuten
FSK:  ab 6; f
Regie/Buch: Theodore Melfi    
Kamera: John Lindley    
Musik: Theodore Shapiro    
Schnitt:  Sarah Flack, Peter Teschner    

Darsteller: Bill Murray (Vincent), Melissa McCarthy (Maggie), Naomi Watts (Daka), Chris O'Dowd (Brother Geraghty), Terrence Howard (Zucko), Jaeden Lieberher (Oliver), Kimberly Quinn (Schwester Anna), Lenny Venito (Coach MItchell), Nate Corddry (Terry), Dario Barosso (Ocinski), Ann Dowd (Shirley), Scott Adsit (David), Reg E. Cathey (Gus)


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Pressespiegel

Kurzkritik Filmdienst

Ein mürrischer alter Mann aus Brooklyn lässt sich von seiner neuen Nachbarin dazu überreden, in ihrer Abwesenheit auf ihren zwölfjährigen Sohn aufzupassen. Der Rentner schleppt den Jungen in einen Nachtclub, auf die Rennbahn und in eine Bar, wobei sich eine Art Vater-Sohn-Beziehung ergibt, in der beide voneinander lernen: Während sich der Junge gegen Mobbing zu wehren beginnt, wählt er den Rentner für eine Schulpräsentation als Beispiel eines realen Heiligen. Eine durchweg gut, in Nebenrollen vorzüglich gegen den Strich besetzte Komödie, die ihren Humor und Schwung aus dem authentisch gezeichneten Kosmos bezieht. Gegen Ende rutscht der Film etwas zu sehr ins Sentimentale ab. - Ab 14.

Trailer:


 

ausführliche Kritik Filmdienst

Bill Murray ist längst in einem Stadium angelangt, in dem es ausreicht, einfach nur Bill Murray zu sein. Wenn er dazu noch einen „grumpy old man“ in Camouflage-Shorts darstellen darf, der raucht, säuft und mit Huren abhängt, kann eigentlich gar nichts mehr schiefgehen. Dennoch kann man nicht behaupten, dass sich der Mann mit dem melancholischen Knautschgesicht auf seinem Kultstatus ausruhen würde. In „St. Vincent“ liefert der Schauspieler einmal mehr eine wunderbar unterspielte Performance als schroffer, leicht verwahrloster Eigenbrötler. Der natürlich das Herz am rechten Fleck hat, wenn er nicht gar über manche Eigenschaft eines Heiligen verfügt, was herauszufinden es des neu zugezogenen Nachbarsjungen Oliver bedarf.
„St. Vincent“ funktioniert nach dem gängigen Komödienschema, wonach es nur ein hartnäckiges Kind braucht, um aus dem knurrigen Fiesling den netten Kerl herauszukitzeln. Der von Ted Melfi geschriebene und inszenierte Film ist also nicht sonderlich spannend in Bezug auf das „was“. Entscheidend ist das „wie“, und das ist sehr charmant.
Vincent bietet sich der neuen Nachbarin Maggie, einer alleinerziehenden Krankenschwester, als Babysitter für deren 12-jährigen Sohn Oliver an. Vincent braucht das Geld und parkt Oliver zunächst vor dem Fernseher. Doch nach und nach entwickelt sich eine echte Beziehung zwischen dem Misanthropen und dem in der Schule gemobbten Jungen. Allerdings sind Vincents Babysitterdienste eher unkonventionell und auch nicht gerade pädagogisch wertvoll. Er nimmt Oliver mit in seine Eckkneipe, zum Wetten auf die Pferderennbahn und lässt ihn Bekanntschaft mit der schwangeren Stripperin Daka machen. Außerdem bringt er ihm das Boxen bei, damit Oliver sich gegen seine Widersacher wehren kann.
Es ist ein sympathischer, authentischer, gar nicht rührseliger Kosmos, den der einstige Werbefilmer Ted Melfi in seinem Kinodebüt entwirft und der dem Film Drive und Humor verleiht: Etwa Vincents Beziehung zu der von Naomi Watts mit offensichtlichem Spaß an der Sache gespielten Daka, die zwar auf Geld und recht herben Umgangsformen beruht, aber auch von einer gegenseitigen Wertschätzung geprägt ist. Oder die verspielte Einführung in Vincents Familiengeschichte, als er zusammen mit Oliver als Arzt verkleidet eine Insassin eines Altersheims besucht und mit dieser flirtet – später stellt sich heraus, dass es sich bei der Dementen um seine eigene Frau handelt.
„St. Vincent“ hat inszenatorisch manche Überraschungen zu bieten, allem voran durch die Besetzung der Krawallnudel Melissa McCarthy als gänzlich normale, von Arbeit und Kindererziehung gestresste Mutter. Ein leiser Witz entsteht dadurch, dass sie, die mit Pöbeleien und ordinären Sprüchen in Filmen wie „Brautalarm“ oder „Taffe Mädels“  bekannt wurde, nun auf der sprichwörtlich anderen Seite des Gartenzauns steht und gegenüber dem unseriösen Vincent die bürgerlichen Werte verteidigt. McCarthy zeigt hier, dass sie auch leisere Töne beherrscht. Auch Naomi Watts als prollige Komödienfigur ist ein Casting-Coup und ebenso gelungen gegen den Strich besetzt. Mit natürlicher Ernsthaftigkeit überzeugt überdies der 10-jährige Jaeden Lieberher in seiner ersten Filmrolle.
Die Ausgangsidee von „St. Vincent“ stammt von Melfis Nichte, die für die Schule einen inspirierenden katholischen Heiligen und dessen reales „Pendant“ im Alltag finden sollte. Oliver, der, so erfährt man erst relativ spät und nebenbei, von Maggie adoptiert wurde, wählt dafür den Patron der adoptierten Kinder, William of Rochester. Und stellt ihm Vincent zur Seite, in dem er „heilige Qualitäten“ – Opferbereitschaft und Hingabe, die Welt besser zu machen – zu erkennen meint. Das ist der Punkt, an dem der Film ansatzweise ins Sentimentale driftet. Ohne einen pathetischen Kulminationspunkt wie die Schulveranstaltung, auf der Oliver in einer ausführlich ins Bild gesetzten Powerpoint-Präsentation seine „Heiligen“-Wahl erklärt, scheint es in einer Familienkomödie aus Hollywood einfach nicht zu gehen. Und so ist im Finale eine große, vielleicht etwas zu glückliche Patchwork-Familie um Vincents Tisch versammelt. Was das Vergnügen an diesem ebenso witzigen wie warmherzigen Film, der ansonsten eben gerade nicht auf vordergründige Rührseligkeit setzt, aber nicht sonderlich schmälern kann.
Katharina Zeckau, FILMDIENST 2015/1