Ein Augenblick Freiheit

Dienstag, 17. September 2013 - 19:30

Eintritt: frei

Österreich/Frankreich/Türkei 2008
Kinostart: 13. August 2008
114 Minuten
FSK: ab 12; f
FBW: besonders wertvoll

Produktion: Veit Heiduschka, Margaret Ménégoz    
Regie/Buch: Arash T. Riahi    
Kamera: Michael Riebl    
Musik: Karuan Marouf    
Schnitt: Karina Ressler    
Darsteller: Navid Akhavan (Ali), Pourya Mahyari (Merdad), Elika Bozorgi (Azy), SIna Saba (Arman), Payam Madjlessi (Hassan), Behi Djanati Ataï (Lale), Kamran Rad (Kian)

Auszeichnungen/Preise:
World Film Festival Montreal 2008: Golden Zenith für den besten Debütfilm
Zurich Film Festival 2008: Golden Eye für den besten Erstlingsspielfilm
Max Ophüls Filmfestival / Saarbrücken 2009: Preis des Saarländischen Ministerpräsidenten & Interfilmpreis
Viennale 2008: Wiener Filmpreis
Festival International des jeunes realisateurs, Saint Jean de Luz 2008: Beste Regie
Cinessonne Film Festival, Paris 2008: Public Award und Student Award
Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2009: Hauptpreis Fliegender Ochse
Tromsø Internasjonale Filmfestival 2010: Publikumspreis Tromsø Audience Award.

Filmhompage, Wikipedia, Programmkino.de
Pressespiegel


Schule: Bundes- Jugendfilm,

Kurzkritik Filmdienst:
Eine Hand voll Flüchtlinge aus Irak und Iran strandet in einem schäbigen Hotel in Ankara. Das Warten auf die Ausreise nach Europa zermürbt die Menschen, auch wenn sie in der Türkei die schlimmste Repression hinter sich gelassen haben. Der feinfühlig inszenierte Film zeichnet lebensnahe, zum Großteil von Laiendarstellern gespielte Figuren, wobei sich tragische und humorvolle Szenen die Waage halten. Ein eigenwilliges Drama als exemplarischer Spiegel dessen, was sich an den Grenzen zur Europäischen Union abspielt. (O.m.d.U.) - Ab 14.

 

Filmdienst auführliche Kritik:

 An Anfang und Ende stehen Exekutionen. Doch während man die politischen Gefangenen am Beginn tödlich getroffen zu Boden sinken sieht, bleibt das Bild am Ende kurz vor dem Todesmoment stehen. Es ist die letzte Einstellung des Films: der Blick der Kamera ist unverwandt auf das Gesicht des zum Tode verurteilten Protagonisten gerichtet. Ein Blick, der auf sich selbst verweist, der schlicht und ohne größeres Pathos signalisiert: Wir blicken hin, nicht weg. Der iranisch-österreichische Filmemacher Arash T. Riahi erzählt in seinem ersten Kinospielfilm von Flüchtlingen aus Iran und Irak, deren Schicksale sich auf dem Weg in den Westen kreuzen: vom Ehepaar Lale und Hassan, das sich mit seinem kleinen Sohn Kian von einem Schlepper an die iranisch-türkische Grenze führen lässt; von Merdad und seinem Freund Ali, die Merdads Nichte Aky und deren Bruder Arman aus dem Iran zu ihren in Wien lebenden Eltern bringen wollen; vom alten iranischen Polit-Aktivisten Abbas und dem jungen irakischen Kurden Manu, die sich in Ankara ein schäbiges Pensionszimmer wie auch fast alles andere teilen. Die beiden halten sich schon länger in der türkischen Metropole auf und geben Merdad, Ali und den anderen Neuankömmlingen wertvolle Tipps, wie sich das Leben als Flüchtling etwas einfacher gestalten lässt. Doch die ersehnte Ausreise nach Europa können auch die beiden „alten Hasen“ nicht beschleunigen.

Riahi zeigt, dass es nicht zuletzt die ewige Wartestellung ist, die das Flüchtlingsschicksal so zermürbend macht. Tag für Tag stehen Hassan und die anderen vor dem UN-Gebäude, um als Asylanten anerkannt zu werden und die nötigen Papiere für die Weiterreise zu erhalten. Ohne die Bürokraten hinter ihren Schreibtischen zu denunzieren, deutet der Film an, dass dabei nicht selten über Leben und Tod entschieden wird: Hassan verliert fast den Verstand, als sein Antrag zum ersten Mal abgelehnt wird, und setzt ein grausiges politisches Statement, als er zum zweiten Mal abgewiesen wird. Er kann nicht leben mit dem Wissen, seine geliebte Frau und seinen Sohn Kian entwurzelt zu haben, ohne ihnen eine neue, sichere Heimat bieten zu können. Riahi, der als Zehnjähriger mit seinen Eltern aus dem Iran nach Österreich floh, hat mit seinem Flüchtlingsdrama ein unverhohlenes Pamphlet inszeniert, einen Ruf um Aufmerksamkeit für die Heimatlosen und Verfolgten dieser Welt. Doch er ist Profi genug, um trotz seiner persönlichen Betroffenheit und seines Bemühens aufzurütteln eine Geschichte zu präsentieren, die auch filmisch funktioniert. So sind seine Protagonisten, die zum guten Teil von Laien dargestellt werden, weder Heilige noch reine Opfer, sondern lebensnahe Figuren. Aus seiner Sympathie für sie macht der Regisseur keinerlei Hehl: Die Flüchtlinge sind unbestrittene „Helden“, liebevoll gezeichnet und gespielt.

Wenn es um die „Gegenseite“ geht, droht der Film an Subtilität zu verlieren: So bewegt sich der skrupellose Pensionsbesitzer am Rand der Karikatur; und auch das Verlies des iranischen Geheimdiensts, in dem Merdad, Aky und Arman landen, wirkt mit seinen Wasserlachen auf dem Boden, den niedrigen Betondecken und den fiesen Folterschergen einen Hauch zu filmreif. Abgesehen davon ist Riahi jedoch ein schöner, höchst emotionaler Film gelungen: Mit viel Feingefühl und großer Eleganz verwebt er tragische, spannende und humorvolle Szenen zu einem universellen Plot und erzählt eine anrührende, keinesfalls aber rührselige Geschichte. Manches Mal schimmert – etwa hinter den Gesichtern der Kinderdarsteller – ein gewisser Hang zum Kitsch durch, eine Anmutung, die der Regisseur aber durch Qualitätsarbeit ausräumt. So sehen die jungen Schauspieler nicht einfach nur niedlich aus, sondern überzeugen in erster Linie durch ihr Spiel. Den schweren Schicksalen seiner Figuren mischt Riahi die nötigen leichten Momente bei, die oft wunderbar ausdrucksstarke Bilder gerieren. Da sorgen dann aus Eis gestanzte Geldmünzen oder Schwanenfedern, die vom Himmel regnen, für eine schöne Form von poetischem Realismus.
Katharina Zeckau, FILMDIENST 2009/17